Skip to main content
[Rezension] Wow! „Raus aus der Mental Load Fall“ von Patricia Cammarata ist gestern in die dritte Auflage gegangen. Gerade mal zwei Monate nach Erscheinen. Das Thema bewegt. Uns auch. Birthe hat das Buch gelesen. Hier erfährst du, was sie daraus für sich mitgenommen hat.

Kennst du diesen Moment, wo ein neues Buch vor dir liegt? Du hast den Buchdeckel noch nicht aufgeklappt, betrachtest das Cover und gehst im Kopf durch, was dich wohl erwartet. Bei Patricia Cammaratas Buch „Raus aus der Mental Load Falle“ gibt es gleich noch einen Untertitel dazu, der die Richtung klar macht: „Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt.“ Wow. Das will ich gerne wissen, klar doch! Ich bin vorfreudig. Sehr gespannt.

Um es gleich vorwegzunehmen: In dem Buch stecken in der Tat sehr viele Strategien drin, wie es gelingen kann, die mentale Last (Mental Load) in der Familie besser zu verteilen. Wer jetzt ungeduldig ist, der scrollt ein wenig nach unten. Da gebe ich einen Überblick über die Vorschläge, die Patricia Cammarata nennt.

Inhalt

Humorvoll und teils weniger sachlich als erwartet

Während der Lektüre des Buches habe ich es tatsächlich auch in erster Linie darauf gescannt, was ich an praxisnahen Ideen mitnehmen kann für mich und meine Familie. Wenn du hier regelmäßig im Blog liest, dann weißt du: Auch Laura Fröhlich hat kürzlich ein Buch über Mental Load veröffentlicht. Mir hat an ihrem Buch vor allem die klare Struktur und die Sachlichkeit gefallen – bei gleichzeitig sehr persönlicher Schilderung.

Von Leidensgenossin zu Leidensgenossin

Patricia Cammaratas Buch ist anders. Ein bisschen so wie ein Brief von Leidensgenossin an Leidensgenossin. Sehr humorvoll geschrieben – was in meinen Ohren jedoch manchmal fast schon zynisch klang. Darauf mag ich gerne noch einmal später im Text zurückkommen, damit du auch weißt, wovon ich spreche. Zunächst geht es mir vor allem darum zu sagen: Ich hatte tatsächlich mehr Sachlichkeit erwartet als dieses Buch noch so jungfräulich vor mir lag.

Empfehlenswert: Vier-Schritte-Plan

Denn den ersten Berührungspunkt hatte ich mit Cammarata auf ihrem Blog „Das Nuf Advanced“. Die Psychologin und IT-Projektmanagerin hat dort unter anderem einen Vier-Schritte-Plan raus aus dem Mental Load veröffentlicht. Wir haben diesen auch schon in unseren Social-Media-Profilen geteilt. Zudem schreibt sie sehr komprimiert, worum es bei dem Thema Mental Load überhaupt geht, was die Probleme daran sind und wie wir es schaffen können, den Familienalltag gerechter zu organisieren. Diese Klarheit hat mich beeindruckt. Sie hätte ich mir auch im Buch gewünscht.

Was erwartet dich inhaltlich?

Patricia Cammarata schreibt zunächst darüber, wie sie selbst das erste Mal mit dem Begriff Mental Load in Berührung gekommen ist und wie ihr Leben zu diesem Zeitpunkt aussah. Dann stellt sie die Frage, ob das Phänomen genetisch bedingt sei. Wir erfahren hier viel über Rollenbilder und wie diese entstanden sind bzw. warum sie nach der Geburt des ersten Kindes oftmals wieder klischeehafter werden. Sie nennt auch eine Vielzahl von Gründen, warum „Fünfe gerade sein lassen“ so oft nicht geht (und die mentale Last auch nicht wirklich reduziert). Schließlich kommen Wege raus aus diesem Sumpf, Strategien, wie es uns gelingen kann, Verantwortung loszuwerden. Das Buch endet mit vier Interviews mit Männern, die ihren Partnerinnen zufolge in gleichberechtigten Beziehungen leben und den Mental Load fair teilen.

Zu viele Prozesse laufen im Hintergrund – bis der Rechner abstürzt

Cammarata erzählt zunächst ihre persönliche Geschichte und schreibt ihre Definition für Mental Load auf:

„Im Grunde sagt der Begriff Mental Load erst einmal nichts anderes, als dass es neben den sichtbaren Aufgaben im Alltagsleben sehr, sehr viele unsichtbare Aufgaben gibt, die nie explizit genannt werden und die dennoch alle so nebenher identifiziert, bedacht, geplant und dann erledigt werden müssen.“

Patricia Cammarata, Raus aus der Mental Load Falle

Meist sei es eine einzige Person, die die komplette Verantwortung für alle Prozesse und Ergebnisse trage. In den allermeisten Fällen handle es sich dabei um Frauen, unabhängig vom Umfang ihrer eigenen Erwerbstätigkeit. Sehr treffend fand ich das Bild von Daniel Hirsch, den Cammarata zitiert: Es handle sich bei Mental Load um „Prozesse im Hintergrund“, die „unseren Arbeitsspeicher im Kopf belegen. Bis es dann irgendwann zu viel wird. Der Rechner stürzt ab.“

Folgende Themen habe ich für mich in dem Buch ausgemacht:

  1. Warum wir mit Geburt des ersten Kindes so oft zurück in längst vergessene Rollenklischees rutschen.
  2. Wieso Mental Load auch viel mit dem Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung zu tun hat.
  3. Weswegen Mütter oft glauben, sie seien unverzichtbar.
  4. Welche positiven Effekte es auf Kinder hat, wenn sich der Vater zu Hause gleichermaßen einbringt wie die Mutter.
  5. Wie so eine Partnerschaft auf Augenhöhe entstehen kann.
  6. Was du noch tun kannst, um deine Partnerschaft und deine Familie zu stärken.
  7. Warum ein Teilen der Mental Load auch ein Teilen der Financial Load bedeutet – und was beide Partner davon haben.
  8. Ganz konkrete Dinge, die du gegen Mental Load unternehmen kannst.

1. Warum wir mit Geburt des ersten Kindes so oft zurück in längst vergessene Rollenklischees rutschen

In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Das frage ich mich tatsächlich des Öfteren, wenn ich mit Frauen ins Gespräch komme über die Aufgabenteilung zu Hause. Der Mann geht als Versorger meist Vollzeit arbeiten, während die Mutter allenfalls Teilzeit arbeitet und zu Hause den Laden schmeißt. Patricia Cammarata schreibt, die Geburt eines Kindes habe einen starken retraditionalisierenden Effekt auf Paare – egal ob homo- oder heterosexuell. Das führe dazu, dass der Mental Load selten geteilt wird. Ich finde das nach wie vor erschreckend! Und auch das Familienministerium stellt fest: „Frauen wenden pro Tag im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer.“

Das führt dann auch zu solchen Szenen, die Cammarata zahlreich in ihrem Buch beschreibt:

„Denn wo sollen sie sein, die Hosen? Im Schrank. Da, wo frau sie immer reinlegt. Warum hat die Frau die Verantwortung für die Hosen des Mannes? Warum stehen vor allem Männer vor Kleider- und Kühlschränken und rufen?“

Patricia Cammarata

Ja, das dürfen wir uns durchaus fragen. Aus Sicht der GFK wäre mir allerdings wichtig, niemandem dafür die Schuld zu geben. Sondern vielmehr darauf zu schauen, wie diese Situationen entstanden sind und wie wir da gemeinsam rauskommen. Welche Glaubenssätze verbergen sich dahinter? Welche Rollenbilder? Und welche Funktionen haben diese bisher für uns erfüllt?

Ist Haushalt wirklich (allein) Frauensache?

Cammarata schreibt: „Ist eine Wohnung chaotisch und unaufgeräumt, hat die Frau sich nicht gekümmert.“ Und: „Eine Mutter, die sich der Elternarbeit verweigert, ist eine Rabenmutter, ein schlechter Mensch. Ein Vater lediglich nicht modern eingestellt, kein ,neuer Vater‘.“ Das klingt unfair und frustrierend. Ebenso wie die Feststellung: Was ich als Mutter nicht mache, wird gar nicht gemacht. Ein Weglassen verursacht Mangel und die Kinder nehmen unmittelbar Schaden.

Unter Punkt 8 gehe ich noch einmal ausführlicher auf die von Cammarata genannten Strategien ein, Kompetenzfelder aufzubauen und den Kindern keine Rollenklischees vorzuleben. Sehr gut verbinden konnte ich mich mit dem folgenden Zitat – denn so sieht auch mein Ideal aus:

„Mädchen sollen nicht eine Mutter erleben, für die es selbstverständlich ist, alle häuslichen und familiären Pflichten zu übernehmen. Sie sollen lernen, dass jeder Partner seinen Teil beiträgt und dass man aushandeln kann (und muss), wer wann wie viel erledigt. Sie sollen vor allem lernen, dass sie mit der Verantwortung nicht alleine sind und dass die besseren Entscheidungen immer dann entstehen, wenn mehr als eine Person das Für und Wider abwägt. Den Söhnen möchte ich zeigen, dass sie in einer Partnerschaft gleichberechtigt sind, dass sie vor allem als Väter gleich wichtige Bezugspersonen für ihre Kinder sein können und dass mit allen Vaterrechten auch Pflichten verbunden sind. Sie sollen erleben, dass ein Vater auch tröstet, dass er kranke Kinder umsorgt, dass ein Vater seine Kinder in den Schlaf kuscheln kann.“

Patricia Cammarata

2️. Wieso Mental Load auch viel mit dem Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung zu tun hat

Da es für die oftmals unsichtbare Arbeit zu Hause wenig Anerkennung und Wertschätzung gibt (und sei es nur in Form eines Gehalts), gerät das Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung schnell in Mangel. Mit diesem Gedanken von Patricia Cammarata konnte ich mich gut verbinden. Die Folgen sind oft ein ungesunder Perfektionismus sowie ein regelrechter Selbstoptimierungswahn.

Cammarata schildert das am Beispiel „Tolle Kindergeburtstagsparty ausrichten“. Sie schreibt: Wir machen das nicht für die Kinder, sondern für uns. Wir Mütter (oder vielleicht auch Väter) wünschen uns ein Ergebnis, das alle beklatschen.

„Irgendeine megageniale Torte, die auf Instagram Dutzende von Likes bekommt. Stellvertretende Anerkennung, weil es keine gesellschaftliche Konvention gibt, nach der sich Mütter gegenseitig feiern.“

Patricia Cammarata

Mein Fazit dazu: Ist das nicht unendlich traurig? Wie wunderbar wäre es, wenn wir uns viel, viel mehr dafür feiern, was wir jeden Tag leisten? Tränen wegwischen, Gefühlsausbrüche begleiten, für saubere Kleidung im Schrank sorgen, Lachen und Kuscheln…

3️. Weswegen Mütter oft glauben, sie seien unverzichtbar

Vielleicht kommt daher auch der Wunsch (und manchmal auch der laut kommunizierte Stolz), dass die Mama fürs Kind unverzichtbar ist. Patricia Cammarata betont, dass es sich um erlerntes Verhalten handelt, wenn ein wütendes Kleinkind den Vater komplett ignoriert und nach der Mutter verlangt. Ich mag sehr ihren Gedanken dazu:

„Kinder wollen die Fünf-Sterne-Superior-Versorgung, die viele Väter nicht bieten können, weil sie in den ersten Lebensmonaten oder -jahren nicht viel Alltag mit den Kindern hatten und nun aufgrund ihres Erfahrungsmangels nur die Grundversorgung bieten können.“

Patricia Cammarata

Und ich stimme Cammarata weiter zu: Der Weg da raus führt über die Aufgabe der Expertinnenrolle als Mutter. Nur, wenn der Vater Raum bekommt, wenn er selbst Verantwortung übernimmt und seine Rolle ausfüllt, kann sich etwas ändern. Die Psychologin betont jedoch auch, dass das so gerne vorgeschobene „Maternal Gatekeeping“ (also ein Verantwortung an sich reißen seitens der Mutter) nicht das Hauptproblem sei. Dazu zitiert sie den Autor und Blogger Jochen König:

„Ich bin fest davon überzeugt, dass es Väter braucht, die von Geburt an bereit sind, sich im Leben der eigenen Kinder mehr als nur nach Feierabend und am Wochenende einzubringen. Und wenn Väter bereit sind, diesen Schritt zu gehen und auch die negativen Begleiterscheinungen (unausgeschlafen sein, verminderte Karrieremöglichkeiten…) in Kauf zu nehmen, dann ist Maternal Gatekeeping völlig irrelevant.“

Jochen König, Autor und Blogger

4️. Welche positiven Effekte es auf Kinder hat, wenn sich der Vater zu Hause gleichermaßen einbringt wie die Mutter

Zu diesem Thema hat Patricia Cammarata übers Buch verteilt Einiges zusammengetragen: Zum Beispiel Studien, die bestätigen, dass vor allem Mädchen von der Anwesenheit des Vaters profitieren. Im Väterreport 2018 heißt es dazu: „Für sie (aber auch die Söhne), öffnet sich die Tür zu einem anderen, eher geschlechtsunspezifischen Aktivitätsbereich. Denn mit den Vätern gehen verstärkt außerhäusliche, sportliche und handwerkliche Freizeitaktivitäten für die Kinder einher.“

Für die Beziehung zum Kind sei es wichtig, präsent zu sein. Und das meint Cammarata durchaus auch sehr physisch und zeitlich. Sie stößt sich offenbar sehr an dem (vor allem bei Vätern) Mode gewordenen Ausspruch, die „Quality Time“ mit Kindern sei entscheidend. Dazu ein weiterer Einblick in Cammaratas sehr knackigen, direkten Stil:

„Den Vätern, die sich jeden Tag nur einige Minuten Zeit für ihren Nachwuchs nehmen (können), ist natürlich nicht zuzumuten, dass sie mal Kotze aufwischen oder Kackwindeln wechseln. Das wäre ja keine Quality Time. Quality Time ist, von der Arbeit zu kommen, den zähnegeputzen Kindern im Schlafanzug 20 Minuten etwas vorzulesen und ihnen dann ein Bussi zu geben. Ist das nicht ein wenig mager?“

Patricia Cammarata

5️. Wie so eine Partnerschaft auf Augenhöhe entstehen kann

Viele Väter (Männer) hätten laut Patricia Cammarata zu Hause die Stellung des Handlangers der Familienmanagerin inne. Dies sei auch der Grund, warum in so vielen Familien lediglich an den Symptomen von Mental Load gedoktert werde, nicht aber das eigentliche Problem angetastet werde. Cammarata: „Der Hilfsarbeiter hat so gut wie kein Mitspracherecht. Selbst wenn er bemüht ist, sich einzubringen, stellt er oft fest: Ich kann es der Chefin nie recht machen.“

Loslassen einerseits, Verantwortung übernehmen andererseits

Das sorgt für Frust auf beiden Seiten. Es ist also ein gegenseitiger Lernprozess. Während die eine Seite lernen muss, loszulassen, muss die andere Seite lernen, Interesse zu zeigen. Verantwortung zu übernehmen. Wie schwer das anfangs fällt, zeigt Cammaratas Beispiel vom Kauf der Kinderschuhe. Wer lästert, der Mann kaufe immer nur „hässliche Schuhe“, brauche sich nicht wundern, wenn diese Aufgabe schnell wieder zu ihr zurückkomme. Und das ist auch ein gutes Beispiel dafür, warum ich teils an Cammaratas Aussagen zweifle, es gehe ihr nicht um Schuld und die Partner seien nicht die Feinde, sondern Verbündete. Denn sie schreibt weiter:

„Ich habe das Gefühl, dass sich manche Männer auch extra blöd anstellen, um sich langfristig von der Verantwortung des Schuhkaufs wegzustehlen. Dem Kind sandalenähnliche Schuhe zu kaufen, wenn man loszieht, um Winterschuhe zu besorgen, ist halt wirklich ein bisschen doof.“ Und gleich noch so ein Satz: „Weil sie sich in Haushalt und Kindererziehung so gut wie nicht einbringen, bestimmt die Hausherrin, was Sache ist. Das Hausherrchen zuckt nur mit den Schultern.“

Puh, wertschätzend ist das nicht…

Solche Passagen haben mir das Lesen manchmal schwer gemacht, da sie inneren Widerstand hervorrufen. Schließlich geht es hier doch nicht ums gemeinsame Ablästern, sondern um das Finden von konstruktiven Lösungen und eine Partnerschaft auf Augenhöhe, oder? Zumal Cammarata ja auch jede Menge gute Ansätze liefert. Sie verschwinden für mich nur manchmal unter diesem Wust an Urteilen. Das finde ich sehr bedauerlich.

6️. Was du noch tun kannst, um deine Partnerschaft und deine Familie zu stärken

Richtig gut gefallen haben mir hingegen die Passagen, an denen Patricia Cammarata durchblitzen lässt, wie es in ihrer aktuellen Partnerschaft mit geteiltem Mental Load aussieht. Sie hat sich an vielen Stellen bewusst von der Effizienz und Optimierung verabschiedet, um Platz zu machen für ein Gemeinschaftsgefühl. Sie beschreibt es als „großen und schönen Luxus“, Dinge gemeinsam zu tun, die natürlich auch einer alleine erledigen könnte.  

Damit kann ich mich sehr gut verbinden, denn es ist bei uns in der Familie ganz aktuell. Zu Beginn des Schuljahres habe ich alle Verantwortung für die Schule an meinen Mann abgegeben. Ich habe dazu an anderer Stelle schon berichtet. Ein Schritt, der mir gar nicht so leicht fiel. Nun hat mein Mann mich gefragt, ob ich Freitag mit zum Elternabend der i-Dötzchen gehen möchte. Einen Babysitter hat er auch schon organisiert. Ganz ehrlich, das fühlt sich für mich fast so an, als hätte er mich um eine Date gebeten. Ich habe freudig zugesagt.

Die Effizienz auch mal zugunsten der Verbindung opfern

Cammarata schreibt dazu: „Mit Kindern kann man sich besonders gut auseinanderorganisieren. Einer verlässt morgens das Haus extra früh, der andere versorgt die Kinder und bringt sie weg.“ Joah, das kennen wir glaube ich alle recht gut. Daher finde ich ihren Hinweis so wertvoll, bewusst auch mal Rollen zu tauschen, Wissen weiterzugeben, Dinge gemeinsam zu machen. Denn das erleichtert es auch immens, Anteil am Leben des anderen zu nehmen. Gleichzeitig stärkt es auch weitere Beziehungen innerhalb des Familiengefüges. Denn der Vater rückt so auf von der „zweitbesten, geduldeten Lösung“ zu einem vollwertigen Ansprechpartner für alle Sorgen und Nöte (und natürlich auch schönen Erlebnisse) der Kinder.

7️. Warum ein Teilen der Mental Load auch ein Teilen der Financial Load bedeutet – und was beide Partner davon haben

Sehr wertvoll fand ich auch den Hinweis von Patricia Cammarata, dass Teilen von Mental Load auch ein Teilen von Financial Load bedeutet. Denn weichen sich die klassischen Rollenverteilungen auf, dann nimmt das auf der einen Seite viel Druck, der alleinige (oder hauptsächliche) Versorger der Familie zu sein. Und auf der anderen Seite hat so auch der andere Partner (=die Frau) die Möglichkeit, finanziell beizutragen und vor allem Altersvorsorge zu betreiben. Frauen erhalten in Deutschland im Schnitt 46 Prozent weniger Rente als Männer (Tagesspiegel November 2019).

Elternzeit – die Autorin rechnet verschiedene Modelle durch

Cammarata hat sich zudem viel mit der Elternzeit beschäftigt. Wer nimmt wie viele Elterngeldmonate? Wie wirkt sich das auf die Familienfinanzen aus? Und vor allem: Stellt das Weichen für eine langfristige Aufgabenverteilung in der Familie? Sie stellt einen „Zuwachs an Egalität durch die Elterngeldmonate des Vaters“ fest.

Gleichzeitig schreibt sie auch, dass Väter ihren Recherchen zufolge nicht so gern in Elternzeit gehen, da sie finanzielle Einbußen und Nachteile in der Karriereentwicklung fürchten. „Vielleicht ist es genau deswegen an der Zeit, sich diese Nachteile mit den Partnerinnen zu teilen und gemeinsam dafür einzutreten, dass sie nicht für immer bestehen bleiben?“, betont sie.

Warum sich das lohnt, schreibt sie an vielen Stellen des Buches. Je gleichberechtigter die Beziehung, desto glücklicher sind beide Partner.

8️. Ganz konkrete Dinge, die du gegen Mental Load unternehmen kannst

Hierin liegt meiner Meinung nach die ganz große Stärke des Buches: Es bietet so eine Fülle an Ideen und Strategien, dass hier jeder fündig werden kann. Gleichzeitig ist dieser Teil so umfangreich, dass es mir schwerfällt, ihn hier in aller Kürze zusammenzufassen. Ich habe daher versucht, nach Themenbereichen zu sortieren und grob anzureißen, was Cammarata darüber schreibt. Dazu nutze ich Zitate aus dem Buch.

1. „Wir müssen lernen, uns nicht immer zuständig zu fühlen“

Hier empfiehlt die Autorin die „CamPatri-Methode“ – angelehnt an die KonMari-Methode von Marie Kondo, einer Aufräum-Expertin. Dieses Zitat erklärt die Methode schon in einem Satz (und gefiel mir so gut, dass er zur Überschrift des Textes wurde): „Mit der CamPatri-Methode stellt ihr euch blind und taub und wartet ab, was passiert. Im Idealfall übernimmt sie irgendjemand anderes.“

2. „Wenn schon optimieren und Zeit gewinnen, dann bitte, bitte nicht neu auffüllen! Gewonnene Zeit sollten wir immer zur Entspannung nutzen, zum Durchatmen.“

3. „Gemacht wird, was hilft.“

Der Perfektionismus kommt in die Ausstellungsvitrine, stattdessen gibt es nun vermehrt „Gut-genug-Lösungen“. Dabei hilft auch das, was Cammaratas Podcast-Partner Caspar Clemens Mierau mal aus den Worten „Gelassenheit“ und „Resignation“ kreiert hat: „Gesignation“.

4. „Was uns guttut, ist gut.“

Teil des Mental Loads sei es laut Cammarata, immer den Vorstellungen anderer entsprechen zu wollen. In der Folge sehen wir überall Kritik und Schuld. Wer es schafft, den Erwartungen anderer nicht länger Vorrang vor den eigenen Bedürfnissen zu geben, hat schon viel geschafft.

5. „Man missbraucht seine*n Partner*in nicht dauerhaft als Gedächtnis, Dienstleister oder Gebrauchsanweisung.“

Deshalb gibt es Cammaratas Vier-Schritte-Plan raus aus der Mental-Load-Falle: Schritt 1: Mental-Load-Map, Schritt 2:  Wie sieht die Lastenverteilung aus?, Schritt 3: Konkreter Plan, Schritt 4: Nachbetrachtung. Nachzulesen im Detail in unseren Social Media Posts oder in Patricias Blog.

6.  „Kinder sollen lernen, dass nicht ich die Verantwortung für alles trage, sondern dass jeder in seinem Maße Verantwortung für sich selbst und auch mal für andere tragen kann.“

Ein eindeutiges Plädoyer dafür, Kinder einzubeziehen, also ihnen auch Aufgaben zu überlassen. Verena und ich diskutieren des Öfteren darüber, wie sich das mit der Freiwilligkeit vereinbaren lässt und dem Verzicht auf Belohnung und Strafe. Spannendes Thema. Patricia Cammarata hält es so: „Kinder müssen im Haushalt helfen. Sie müssen dabei nicht lächeln.“

Alles in allem: Meinungsstark und lesenswert

Cammaratas Zusammenfassung am Ende bringt es meines Erachtens noch einmal auf den Punkt: „Für mich war es eine große Erkenntnis, dass Haushalt und Kinder nicht besser organisiert werden müssen, damit sich Mental Load reduziert. Das Gegenteil ist der Fall: Weglassen, Freiräume schaffen, Loslassen, Effizienz Effizienz sein lassen – das bringt Erleichterung. Eine gute Kommunikationskultur pflegen, Dinge gemeinsam machen und vor allem als Paar Energie darauf verwenden, füreinander da zu sein – das löst langfristig den Knoten.“

Mein Fazit zum Buch: Es ist definitiv meinungsstark und lesenswert. Manchmal fehlt mir allerdings der Rote Faden, einige Aussagen wiederholen sich häufiger mal. Zudem scheint mir die Grenze zwischen humorvollem Solidarisieren und zynischem Lästern manchmal sehr zu verwischen. Das führt meines Erachtens dazu, dass die wertvollen Ansätze des Buches vor allem von männlichen Lesern nicht so gut angenommen werden können.

Sehr gut gefallen haben mir die vielen Zeichnungen von Frollein Motte. Zwei davon durften wir in diesem Beitrag veröffentlichen. Da konnte ich oft herzhaft lachen.

Patricia Cammarata, Raus aus der Mental Load Falle – Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt

Beltz, 17,95 Euro

* Aus Gründen der der Transparenz sei darauf hingewiesen, dass uns das Buch kostenfrei als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt wurde.

Teile diesen Beitrag!
Birthe

Mama von Zwillingen und einer Großen, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation und Journalistin, lernt mit Begeisterung neue Dinge. Sie schwankt zwischen Freude und Verzweiflung über ihre lebendige Familie.

2 Comments

  • dasnuf sagt:

    Danke für Deine sehr ausführliche Rezension, in der Du viele Facetten beleuchtest und mit Zitaten unterlegst.

    Mich hat ein wenig gepiekt, dass Du einige Zeilen zitierst, die Du als nicht wertschätzend bewertest. Denn es gibt einen Kontext dazu ohne den die Worte tatsächlich problematisch wirken.

    Zum Glück nehmen das die meisten Leser (bewusst männliche Form) nicht so wahr. Auf Amazon ist z.B. zu lesen: „…Dabei – und das ist eine der großen Stärken des Buchs – geht es nie darum, ob jemand Schuld trägt. Anklagen über die Behäbigkeit der Männer oder sonstige destruktive Elemente wird man beim Lesen nicht finden. Es geht viel mehr darum, wie man konstruktiv zusammenarbeiten kann, um ein gemeinsames Leben zu errichten, in dem sich alle wohler fühlen. Danke dafür!“

    Ich lasse Deine Kritik natürlich dennoch auf mich wirken, denn es ist mir sehr wichtig, dass mein Buch zwar unterhaltend aber nie abwertend formuliert ist.

    • Birthe sagt:

      Hallo Patricia,
      ich danke Dir für Deinen Kommentar und Dein ehrliches Feedback dazu. Ich werde es genauso machen wie Du, und das was Du schreibst nochmal auf mich wirken lassen bzw. meinen Text daraufhin noch einmal überprüfen und lesen.

      Zumal ich keinesfalls Dinge aus dem Zusammenhang reißen will. Es erleichtert mich auch zu lesen, dass männliche Leser das Buch gut aufnehmen. Denn ich finde es wirklich bereichernd, vor allem was die Strategien angeht.

      Liebe Grüße und herzlichen Glückwunsch zum unglaublichen Erfolg des Buches!
      Birthe

Leave a Reply