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Kennst du diese Momente, wo dein Kind außer sich ist? Wo es entweder weint oder schreit, wütet oder verstummt? Sicher fragst du dich dann: Was ist bloß los? Was hat mein Kind? Oder: Was fehlt ihm eigentlich gerade?

Mit der letzten Frage kommen wir der Angelegenheit schon etwas auf die Spur. Denn diese starken Gefühlsausbrüche deines Kindes deuten auf ein unerfülltes Bedürfnis hin. Irgendetwas in deinem Kind ist gerade sehr hungrig. Was genau das ist, ist manchmal echt schwer zu entschlüsseln. Der Weg dahin ähnelt einer Schatzsuche. Du gräbst mal hier und mal dort, bist vielleicht sogar schon geneigt, die Suche einfach hinzuschmeißen. Denn so lange du die grobe Richtung nicht kennst, ist das ein nahezu aussichtsloses Unterfangen.

Warum tut es das bloß?

Sicher fallen dir jetzt auch Situationen ein, in denen die Lage recht eindeutig ist: Es ist 19 Uhr, ihr habt noch nicht zu Abend gegessen. Dein dreijähriges Kind weint und reibt sich die Augen. Da sind vermutlich körperliche Bedürfnisse im Spiel. Nach Schlaf oder Erholung zum Beispiel. Und sicher auch nach Nahrung.

Dann gibt es aber auch so Momente, da stehst du vor deinem Kind und denkst:

Warum in aller Welt tut es das jetzt? Um was geht es ihm denn dabei wirklich?
Warum hat es seine Schwester gehauen?
Wie konnte es nur auf die Idee kommen, Steine ins Klo zu werfen?
Warum sieht es nicht ein, dass es gefährlich ist, aus dem Fenster zu klettern?
Und mit einer Scherbe die Autotür zu zerkratzen – was um Himmels Willen hat es sich dabei gedacht? Wie kommt es überhaupt auf diese Idee??

Da liegt der Gedanke nahe: Will es mich etwa provozieren? Aber wieso?

Bedürfnisse sind immer positiv. Strategien oft problematisch.

Ich gebe zu: Ich bin oft ratlos. Obwohl ich natürlich weiß, dass mein Kind für sein Verhalten einen guten Grund haben wird. Ein starkes Bedürfnis, dass es sich dadurch zu erfüllen hofft. Das Bedürfnis an sich ist ja auch nicht problematisch. Wir alle haben ähnliche Bedürfnisse und suchen nach Wegen, diese zu erfüllen. Dazu nutzen wir unterschiedliche Strategien. Und die oben genannten Strategien meines Kindes sind nun einmal problematisch. Weil sie die Bedürfnisse eines anderen Menschen einschränken, ja, weil sie ihm damit sogar ernsthaften Schaden zufügen können.

Diese grundsätzliche Haltung ist wichtig, wenn du dich ernsthaft an die Erforschung der Bedürfnisse deines Kindes machen willst. Versuche vor allem neugierig zu sein. Wie ein Suchender, der gerne eine Antwort finden mag. Um dann gemeinsam mit dem Kind geeignete Strategien finden zu können.

Ich kann es nach seinen Gründen fragen: Warum tust du das?  Leider führt das in den seltensten Fällen zu einer aussagekräftigen Antwort. Meistens macht diese „Warum-Frage“ die Situation ohnehin nur schlimmer. Denn in dem Wörtchen schwingt mit: So, wie du gerade handelst, ist es nicht okay. Die Inquisition lauert quasi schon um die Ecke. Kein Wunder, dass Kinder (und nicht nur die) da lieber verstummen.

Oft wissen wir selbst gar nicht, um was es uns gerade wirklich geht.

Was also tun? Ich kann versuchen, das Wort „warum“ zu vermeiden. Es gibt viele Alternativen dazu.

Aus welchem Grund…?
Was erhoffst du dir von…?
Was möchtest du mit … erreichen?
Was ist deine Absicht, wenn du …?

Doch auch bei diesen Formulierungen ist der Effekt ähnlich.

Wie gesagt, wir gehen davon aus, dass das Kind einen guten Grund hatte. Nämlich ein hungriges Bedürfnis. Doch wie bringe ich diesen „guten Grund“ nun in Erfahrung? Zumal mein Kind vermutlich oft selbst nicht weiß, was es dazu angetrieben hat, so zu handeln. Überprüfe dich an dieser Stelle gerne einmal selbst: Weißt du immer ganz genau, warum du etwas tust? Warum putzt du zum Beispiel abends hundemüde deine Küche, obwohl du eigentlich lieber ins Bett gehen würdest? Sei dir gewiss, es gibt einen guten Grund. Vielleicht Effektivität am nächsten Morgen. Oder Wirksamkeit.

Was wir auch tun, es ist stets der Versuch, uns ein Bedürfnis zu erfüllen.

Marshall B. Rosenberg

Der Weg führt (mal wieder) übers Zuhören…

Also, wie kommen wir nun ran, an den „guten Grund“, an das Bedürfnis? Hier liegt die Lösung (wie so oft) eher im Zuhören als im Reden. Versuche zu entschlüsseln, was dein Kind dir da gerade mitteilt. Egal ob verbal oder nonverbal. Auch vor der Brust verschränkte Arme oder eine zu dir gerichtete Handfläche sind deutliche Äußerungen. Wir haben hier schon häufiger über das Empathische Vermuten und das Aktive Zuhören geschrieben. Lies da gerne nochmal nach, wenn das Thema für dich gerade interessant ist.

… und über unser neues Freebie!

Wir möchten es dir gerne so leicht wie möglich machen und haben daher unsere Bedürfnis-Schatzkarte entwickelt. Du kannst sie dir hier kostenfrei sichern. Hier findest du eine Auswahl von Begriffen für typische kindliche Bedürfnisse. Diese kannst du auch mitten in einer akuten Herausforderung zücken und wie eine Schatzkarte lesen:

1. Entscheide zunächst schnell, welche der sieben Inseln du ansteuern willst.
2. Dann gräbst du tiefer und schaust dir den Inhalt der Schatztruhe an, die dort vergraben ist.

Weil uns die Frage Was braucht mein Kind gerade? irgendwie sperrig vorkommt – abstrakt, wenig greifbar – haben wir eine andere Form der Orientierung gewählt. Wir nähern uns den Bedürfnissen über Gefühle und Gedanken (das sind die Inseln).

Wir fragen zum Beispiel:
Fühlt sich dein Kind körperlich wohl?
Weiß dein Kind, woran es ist?
Darf dein Kind sein, wie es ist?

Nun kannst du deinem Kind unterschiedliche Bedürfnisbegriffe anbieten. Natürlich NICHT wortwörtlich wie „Hast du ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit?“ – diese so genannte Nominalsprache schreckt nicht nur Kinder ab. Sie ist unserer Erfahrung nach einer der häufigsten Gründe dafür, dass die Gewaltfreie Kommunikation als so sperrig angesehen wird.

In unserer Flaschenpost gibt es Woche für Woche konkrete Formulierungen.

Versuche also, die Bedürfnisse in kindgerechte Sprache zu übersetzen. Hier schon mal ein paar Beispiele:

Hättest du gern, dass alle gleich viel bekommen? (Gerechtigkeit)
Möchtest du gern gefragt werden, bevor ich dich auf den Schoß nehme? (Körperliche Integrität)
Möchtest du dich gern so richtig austoben und Spaß dabei haben? (Bewegung, Spiel)

Eine gute Nachricht für alle, die unsere Flaschenpost lesen: Wir liefern ab sofort jeden Sonntag genau solche Übersetzungshilfen für dich und deine Familie. Klingt gut? Dann melde dich doch schnell für den Newsletter an.

Und nun wünschen wir dir viel Spaß und Erfolg bei der „Schatzsuche“. Hier noch einmal der Link zur Schatzkarte (übrigens neben der farbigen Version auch in einer Schwarz-Weiß-Version zum Ausdrucken).

Lass‘ uns doch gerne mal einen Kommentar da, wie dir die Bedürfnis-Schatzkarte und der Inhalt dieses Artikel gefallen haben. Fragen sind natürlich ebenfalls herzlich willkommen!

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