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Unsere Woche fünf: Wir haben uns Klarheit erhofft. Bekommen haben wir ein paar kleine Häppchen, die eher auf eine längere Phase der Ungewissheit hindeuten.

Eltern sollen für ihre Kinder wie Leuchttürme sein. Sie senden in regelmäßigen Abständen starke Signale aus, an denen sich die Kinder orientieren können und so über die Zeit immer besser lernen, selbstständig Kurs zu halten. Als ich das vor ein paar Jahren bei Jesper Juul gelesen habe, hat er mich damit direkt gepackt. Vielleicht, weil ich schon immer eine besondere Verbindung zum Meer hatte und somit alles liebe, was damit zu tun hat. Vielleicht aber auch, weil dieses Bild mir als eine vernünftige Mischung von Loslassen und Halt geben erschien. Bei Juul heißt es sinngemäß weiter: Sendet der Leuchtturm (also die Eltern) keine Signale mehr aus, kollidieren die Kinder zwangsläufig mit ihm. Und da sind wir nun also. In einer Phase, in der der Leuchtturm mindestens einen Wackelkontakt hat.

Das Gedankenkarussell nimmt wieder Fahrt auf

Sehr gerne möchte ich meinen Kindern Orientierung bieten. Doch wie? Fehlt diese mir doch zunehmend selbst. Fünf Wochen ist es her, seit der Lockdown begann, Schulen und Kitas geschlossen wurden, mein Mann ins Homeoffice ging und wir seidem überwiegend in unserem kleinen Kokon hocken. Über die Osterferien hat sich die Lage zwar etwas entspannt, da tatsächlich mal ein paar „echte“ freie Tage dazwischen waren, wir sehr vorsichtig und aus der Distanz soziale Kontakte gewagt haben.

Doch nun ist morgen wieder Schulstart. Das Lernen zu Hause geht in die nächste Runde und so nimmt auch das Gedankenkarussell wieder volle Fahrt auf. Wie lange noch? Diese kleine Frage mischt sich immer häufiger dazwischen. Wie lange noch Lernen zu Hause? Wie lange noch Kontaktsperren? Wie lange bleibt der Kindergarten noch zu? Wie lange noch werden wir nicht in Urlaub fahren können? Wie lange noch kann ich auf solche Fragen der Kinder nur sagen: „Ich weiß es nicht.“???

Wir können die Wellen nicht aufhalten. Aber wir können lernen zu surfen.

Unbekannter Verfasser

Sie schreien nach Orientierung, wollen wieder Freunde treffen, mit ihnen durch die Gegend tollen und Streiche aushecken. Und der Leuchtturm kann kein eindeutiges Signal aussenden. Er bräuchte mal eine gescheite Seekarte, einen Plan, in dem all die scharfen Klippen, aber auch die kleinen Inselchen verzeichnet sind. Etwas, an dem man sich festhalten und orientieren kann. Doch bei allem was ich in den vergangenen Tagen von Armin Laschet, Yvonne Gebauer und Joachim Stamp gehört habe, bleiben wahnsinnig viele weiße Flecken auf dieser Karte. Alles liegt in einer Art Nebel. Wir fahren auf Sicht. Und segeln wohl erstmal zwei Wochen weitestgehend wie gehabt weiter. Doch das macht mich so müde und mürbe. Ich bin weder Lehrerin noch Erzieherin. Ich will auch nicht lehren und erziehen, sondern begleiten und Beziehung gestalten.

Mir fehlen Klarheit und Orientierung

Die Kollisionen, die Juul beschreibt, bleiben da in der Tat nicht aus. Zumal manchmal drei kleine Kinder-Leuchttürme zeitgleich in völlig unterschiedliche Richtungen senden, um die fehlenden Signale der großen Eltern-Leuchttürme zu kompensieren. Havarie! Chaos! Lange habe ich mir das Hirn zermartert, um eine Lösung für dieses Problem zu finden. Mir das Bedürfnis nach Klarheit und Orientierung selbst zu erfüllen. Doch klar ist nur eins: Das eben nichts klar ist. Und das wohl auch noch eine Weile so bleiben wird.

Das darf ich absolut blöd finden, darüber kann ich wütend und traurig sein. Und wenn ich diesen Gefühlen Raum gegeben habe, dann kann ich auch wieder mein Signal einschalten und meinen Kindern versichern: Ganz gleich was auch in den nächsten Wochen und Monaten noch auf uns zukommt, ganz gleich, wie stürmisch die See da draußen auch noch werden mag, es wird immer eine sichere Anlaufstelle für euch geben.

Oder um es mit einem meiner Lieblingszitate zu sagen: Wir können die Wellen nicht aufhalten, aber wir können lernen zu surfen. Im Hier und Jetzt. Welle für Welle. Alle gemeinsam. – Das kann dann ja vielleicht sogar Spaß und Leichtigkeit bringen.

Foto: StockSnap/William Bout

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Birthe

Mama von Zwillingen und einer Großen, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation und Journalistin, lernt mit Begeisterung neue Dinge. Sie schwankt zwischen Freude und Verzweiflung über ihre lebendige Familie.

2 Comments

  • Constance sagt:

    Ein wunderbarer Text mal wieder, meine liebe Birthe! Danke für den lebendigen Eindruck in euer Leben.

    Das Zitat über das surfen ist auch eines meiner absoluten Favoriten. Es stammt so weit ich weiß ursprünglich von einem Surfer aus den 60er Jahren und wurde beispielsweise von Jon Kabat-Zinn und anderen Lehrern der Achtsamkeit genutzt. Wollte das demnächst auch gerne mal aufgreifen… ;-))

    • Birthe sagt:

      Vielen Dank liebe Constance, es freut mich, dass Dir der Text gefallen hat. Danke auch für Deinen Hinweis zum Zitat. Ich habe daraufhin nochmal gegoogelt und stieß auch unter anderem auf Jon Kabat-Zinn. Der es offenbar irgendwo „ausgeliehen“ hat. Wie auch immer, ich finde es so schön passend fürs Leben allgemein und fürs Leben mit Kindern im Besonderen. Auf weitere Beiträge zum Thema Achtsamkeit freue ich mich 🙂

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