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In den vergangenen drei Wochen haben wir uns mit den ersten drei Komponenten des Vier-Schritte-Modells der Gewaltfreien Kommunikation beschäftigt. Also mit dem, was wir wahrnehmen, fühlen und brauchen.

Was machen wir nun damit?

Wir wissen, nachdem wir diese ersten drei Schritte „gegangen“ sind, welche Bedürfnisse bei uns erfüllt bzw. unerfüllt sind. Wenn sie erfüllt sind, dann möchten wir das vielleicht „feiern“ und/oder uns bei jemandem bedanken. Wenn sie unerfüllt sind, dann möchten wir möglicherweise etwas unternehmen, damit es uns besser geht.
Wir können uns selbst um die Bedürfniserfüllung kümmern und handeln. Wir können auch jemand anderen darum bitten, etwas zu tun, das unsere Lebensqualität verbessert.

Und genau darum geht es heute: wir möchten um Handlungen bitten, die zu unserer Bedürfniserfüllung beitragen.

Bei diesem vierten Schritt der Gewaltfreien Kommunikation geht es vor allem darum, wie wir unsere Bitte so formulieren können, dass bei anderen die Bereitschaft steigt, einfühlsam auf unsere Bedürfnisse zu reagieren.

Warum manche Bitten nicht erfolgreich sind

Bitten sind oft dann nicht erfolgreich, wenn mein Gegenüber nicht versteht, was ich von ihm möchte.

Wie kann so etwas passieren? Schauen wir uns einige problematische Formulierungen genauer an.

1. Ich formuliere eine indirekte Bitte

„Es ist so schön, wenn du mich anrufst…“
„Hach, also diese Kette da, die ist wirklich toll!…“
„Kinder, wisst ihr was? Zeit für mich allein ich Gold wert! Danach bin ich wieder topfit!…“
„Also, ich finde ja, dass zu einer ausgewogenen Partnerschaft zwei gehören…“
„Der Weg zum Bäcker ist so weit und du weißt ja, dass ich nicht gut zu Fuß bin… Aber naja, ich werde es schon irgendwie schaffen…“

Wenn ich den anderen mit einer Aussage konfrontiere wie in den o.g. Beispielen, dann kann es passieren, dass er eine reine Information hört, keine Bitte. Dabei kann in jedem dieser Beispiele eine indirekt formulierte Bitte stecken… Aber: ohne direkt formulierte Bitte ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie erfüllt wird, sehr gering.

2. Ich sage, was ich nicht will

Es war einmal ein Kaninchen, das wollte verreisen.
Es trat an den Verkaufsschalter und sprach: „Hallo, ich hätte gern ein Ticket.“
Fragte die Dame am Schalter: „Prima, wohin darfs gehen?“
„Hm…“ sagte das Kaninchen, „also… nicht nach Paris.“

Der zweite Grund, warum manche unserer Bitten nicht erfolgreich sind, ist, dass wir sagen, was wir nicht wollen, anstatt zu sagen, was wir wollen.

„Stopp! Fass nicht an die Steckdose!“
„Vorsicht, lass den Teller nicht fallen!“
„Kannst du bitte nicht ganz so laut Musik hören?“
„Bitte schrei mich nicht so an.“

3. Ich bitte um ein Gefühl

„Hab keine Angst!“
„Sei nicht traurig“
„Hab Geduld!“
„Gib dich zufrieden.“
„Schäm dich.“

Die Bitte, bestimmte Gefühle zu empfinden oder nicht zu empfinden, ist für unser Gegenüber nicht erfüllbar. Denn die Ursache für unsere Gefühle liegt immer in den erfüllten oder unerfüllten Bedürfnissen desjenigen, der das Gefühl empfindet. Gefühle entstehen aufgrund der eigenen Bewertung eines auslösenden Ereignisses, nicht durch eine Bitte.

4. Ich formuliere eine vage und abstrakte Bitte

„Vertrau mir!“
„Kannst du bitte mehr Verantwortung übernehmen?“
„Ich möchte, dass du in meiner Gegenwart frei über alles sprichst.“
„Kannst du bitte nächstes Mal pünktlich sein?“
„Kannst du mich bitte akzeptieren, wie ich bin?“
„Kannst Du mir meinen Freiraum lassen?“
„Kannst du mir bitte einen Moment zuhören?“
„Ich möchte fair behandelt werden.“
„Kannst du hier bitte für Gerechtigkeit sorgen?“
„Nimm Rücksicht!“

In den genannten Beispielen werden Bitten abstrakt formuliert.

Das Gegenüber könnte postwendend antworten mit einer Gegenfrage: „Und wie genau stellst du dir das vor?“ „Was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun?“

Bei genauerer Betrachtung stecken in fast allen o.g. Sätzen Bedürfnisse – mehr oder weniger klar ausgedrückt. Jede dieser Bitten lautet: „Ich brauche [Bedürfnis] – bitte erfüll mir mein Bedürfnis.“

Bei der Betrachtung des dritten Schrittes der GFK haben wir bereits den Unterschied zwischen „Bedürfnis“ und „Strategie“ angesprochen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten (= Strategien), sich ein Bedürfnis zu erfüllen. Wenn ich mein Gegenüber darum bitte, mir ein Bedürfnis zu erfüllen, dann kann es passieren, dass dieser eine Strategie wählt, die so ganz und gar nicht meinen Vorstellungen entspricht.

5. Ich formuliere einen Vergleich

„Darf ich bei dir rauchen?“
„Hey, fühl dich ganz wie zuhause!“
„Na gut, dann halt nicht…“

Ebenso wie bei indirekten, vagen und abstrakten Bitten sind die Aussichten auf Erfolg gering, wenn ich mein Gegenüber um etwas bitte mithilfe eines Vergleichs:

„Kannst du bitte dein eigenes Zimmer auch so aufräumen, wie du es vorhin bei deiner Schwester gemacht hast?“
„Backe bitte den Kuchen wie es die Oma immer macht.“
„Mach es doch einfach wie immer.“
„Wir brauchen eine Präsentation, die genauso professionell ist wie beim letzten Mal.“

Zusammenfassung

Bitten sind wenig erfolgreich, wenn

  • sie indirekt formuliert sind
  • sie beschreiben, was ich nicht möchte
  • sie Gefühle statt Verhalten erbitten
  • sie vage und abstrakt sind
  • sie Vergleiche enthalten

Erfolgsversprechende Bitten

Bitten sind umso erfolgreicher je klarer es uns selber ist, was genau wir eigentlich wollen.

Je klarer wir wissen und dem anderen mitteilen können, was wir von ihm bekommen möchten, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich unsere Bedürfnisse erfüllen werden.

Deshalb ist der wichtigste Schritt überhaupt, sich im Vorfeld darüber bewusst zu werden, worum es uns geht, und was eine andere Person konkret tun kann, um unser Leben schöner zu machen.

Anschließend gilt es, uns so präzise wie möglich auszudrücken.

„Bitten in klarer, positiver, konkreter Handlungssprache zu formulieren bringt das zutage, was wir wirklich wollen.“

Marshall Rosenberg

Bevor wir den anderen um etwas bitten, haben wir ihm bereits in den ersten drei Schritten wesentliche Informationen mitgegeben: wir haben ihm gesagt, worauf sich das Gespräch bezieht, wie es uns geht und welches Bedürfnis bei uns (un)erfüllt ist.
Nun möchten wir ihn einladen, uns bei der Bedürfniserfüllung zu unterstützen.

Wir sagen ihm, was genau er tun kann, und zwar so konkret wie möglich. Und dann fragen wir ihn, ob er dazu bereit ist.

6 Kritierien für eher erfolgsversprechende Bitten

Wenn die Bitte konkret und handlungsorientiert formuliert wird, und außerdem von der gefragten Person selbst im Hier und Jetzt umsetzbar ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sie auch tatsächlich umsetzt.

Es sei denn…

Zwei Gründe, warum Menschen unsere Bitte ablehnen

Es gibt mindestens zwei Gründe, die gegen die Erfüllung einer Bitte sprechen können.

Unsere Bitte war eine Forderung

Manchmal benutzen wir das Wort „Bitte“, stellen aber tatsächlich eine Forderung.

„Bitten werden dann als Forderung aufgefasst, wenn der andere davon ausgeht, dass er beschuldigt oder bestraft wird, wenn er nicht zustimmt. Wenn jemand eine Forderung von uns hört, dann sieht er nur zwei Möglichkeiten: Unterwerfung oder Rebellion. In beiden Fällen wird die bittende Person als jemand wahrgenommen, der Zwang ausübt, und so lässt die Bereitschaft des Zuhörers, einfühlsam auf die Bitte einzugehen, rapide nach.“

Marshall Rosenberg

Das Wort „Bitte“ allein reicht nicht aus

Ob es sich bei dem, worum wir den anderen bitten, tatsächlich um eine Bitte handelt, erkennen wir manchmal selbst erst, wenn unser Gegenüber mit „Nein“ antwortet.

Sind wir bereit, uns einfühlsam unserem Gegenüber und seiner Ablehnung zuzuwenden, dann haben wir ihm Entscheidungsfreiheit gewährt. Er hat die Möglichkeit, freiwillig beizutragen oder eben nicht.

Haben wir jedoch beim Hören des „Nein“ Urteile über den anderen im Sinn, kritisieren wir ihn oder beschimpfen ihn sogar, dann handelte es sich bei unserer „Bitte“ um eine Forderung: wir haben dem anderen nicht wirklich eine Wahl gelassen.
Auch wenn wir enttäuscht sind und dem anderen daran die Schuld geben, war es keine wahrhaftige Bitte im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation.

Es muss nicht immer eine Bitte sein!

Nun geht es in der GFK nicht darum, stets nur noch astreine Bitten auszusprechen. Wir können selbstverständlich unser Gegenüber auffordern, etwas in unserem Willen zu tun und ihm keine Wahl lassen. Gerade im Zusammenleben mit Kindern kommt es ja gar nicht so selten vor, dass wir fordern, statt zu bitten.
Allerdings wäre es in diesem Fall wünschenswert, aufrichtig zu sein und offen und klar zum Ausdruck zu bringen, dass wir gerade eine Forderung aussprechen. Ein gesäuseltes „ach bitte, nun komm, tu das doch einfach mal“ klingt zwar nett, verschleiert jedoch unsere Machtausübung.
Ebenfalls wünschenswert wäre es, im Anschluss an unsere Forderung immerhin zuzulassen, dass der andere frustriert ist, oder traurig, sauer, trotzig, unwillig oder wütend. Und eventuell sind wir sogar in der Lage, diese Gefühle dann ehrlich und einfühlsam zu begleiten?

Der andere hat ein wichtiges Bedürfnis, das dagegen spricht

Ein weiterer Grund, weshalb unser Gegenüber „nein“ zu einer Bitte sagt, ist, dass er selbst ein wichtiges Bedürfnis hat, das dagegen spricht.
In diesem Fall (und wenn unsere Bitte den Raum für Freiwilligkeit lässt) reagieren wir einfühlsam. Und zwar, indem wir gemeinsam mit dem Anderen ergründen, unter welchen Bedingungen (also nach Erfüllung welcher Bedürfnisse…) er bereit ist, „ja“ zu unserer Bitte zu sagen.

Unser Kind können wir fragen:
„Oh, okay, du sagst nein zu meiner Bitte. Was muss denn zunächst einmal passieren, damit du „ja“ dazu sagen kannst?“
Oder: „Kann ich jetzt etwas tun, damit du eher bereit ist, mich zu unterstützen?“
Oder wir sprechen eine empathische Vermutung aus: „Oh, vielleicht bist du gerade sehr konzentriert und vertieft in das Buch – möchtest du erst noch dieses Kapitel zu Ende lesen?“

Was wir tun können, wenn unser Kind uns ein „Nein!“ entgegenschleudert, hat Birthe übrigens hier schonmal ausführlicher beschrieben.

Und wie sieht es mit deinen Bedürfnistanks aus?

Wenn du gerade so gar keine Kapazitäten mehr für einfühlsame Reaktionen hast, wenn du einfach nur willst, dass der Laden irgendwie läuft und deine Tanks leer sind, dann haben wir hier zwei Angebote für dich:

  1. Nimm dich selbst mal in den Blick und bestell unseren kostenfreien E-Mail-Kurs „Sei gut zu dir – Impulse für gelebte Selbstfürsorge“.
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