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Kennst du das auch? Dein Kind schleudert dir ein lautes und vehementes „Nein!!!“ entgegen und du siehst von einer auf die andere Sekunde Rot. Warum haben wir so häufig ein Problem damit, ein „Nein“ unseres Kindes zu hören?

Darum soll es in diesem Text. Er betrachtet das Thema durch die Brille der Gewaltfreien Kommunikation. Einer Haltung, in der ich Mitgefühl für mich und andere habe. In der es mein oberstes Ziel ist, Verbindung zu schaffen und in Verbindung zu bleiben.

Du liest hier, warum das „Nein“ so ein wichtiger Schritt in der kindlichen Entwicklung ist und bekommst fünf Ideen mit an die Hand, wie du in Zukunft gelassener mit dem Widerstand deines Kindes umgehen kannst.

Warum haben wir so Probleme mit dem Nein?

Die allermeisten von uns sind in einer Kultur aufgewachsen, in der es schlicht „ungehörig“ war, Dinge zu wollen oder für seine eigenen Bedürfnisse einzustehen. Vielleicht kennst du ja auch noch diese Sprüche aus der Kindheit wie „Kinder, die was wollen, kriegen auf die Bollen.“ Auch wenn sich in der heutigen Elterngeneration das Verständnis von Erziehung grundlegend geändert hat, so haben sich diese Dinge doch sehr stark in unser Unterbewusstsein eingegraben.

Ein „Nein“ hören wir daher meist als eine Zurückweisung oder Verletzung. Wir nehmen es persönlich, wenn jemand ablehnt, um das wir sie oder ihn gebeten haben. Besonders bei Kindern, die das noch sehr unverblümt und klar äußern, kann das sehr schmerzlich sein und eigenen Widerstand hervorrufen. Ich habe irgendwo mal gelesen, dass ein „Nein“ des Kindes sehr oft eine „Durchsetzungs-Offensive“ seitens der Eltern auslöst. Das finde ich sehr treffend. Auch, wenn wir ja gerade genau auf diese Machtkämpfe verzichten wollen. Beim „Nein“ geht sehr schnell unser Kopfkino an. Wir sehen unsere Felle schwimmen und haben Sorge, dass unsere eigenen Bedürfnisse nicht ausreichend gesehen werden. Und überhaupt: Ich kann mir doch nicht auf der Nase rumtanzen lassen!

Hurra, mein Kind sagt Nein – ein wichtiger Entwicklungsschritt ist geschafft!

Versuche es doch mal aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten und feiere den Entwicklungsschritt, den dein Kind macht. Entwicklungspsychologisch ist es nämlich so, dass dein Kind zunächst in einer symbiotischen Beziehung mit dir ist. Logisch, die Schwangerschaft über in deinem Bauch. Aber auch zunächst noch nach der Geburt, in der Bindungsphase.

Vereinfacht gesagt ist es in der Tat so, dass dein Kind denkt, es selbst und seine wichtigste Bindungsperson (also Mama und/oder Papa) seien ein und dieselbe Person. Erst mit Beginn der Autonomiephase realisiert dein Kind: Ich bin ja gar nicht du! Aber wer bin ich denn stattdessen?

Und genau deshalb geht es in dieser Phase so gerne in den Widerstand zu dem, was Mama oder Papa sagen. Es braucht in dieser Situation Erwachsene, die ihm signalisieren: Ich sehe und höre dich! Gleichzeitig übernehme ich nach wie vor die Führung und beziehe dich so oft es geht in meine Entscheidungen mit ein.

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Babys und Kinder leben anfangs in einer symbiotischen Beziehung mit ihren Eltern – in der Autonomiephase beginnen sie, sich immer stärker abzugrenzen. Foto: Polina Tankilevitch on Pexels.com

Es geht auch ohne Worte…

Auch schon vor dem verbalisierten „Nein“ gibt es verschiedenste Formen, wie Kinder ihre Ablehnung ausdrücken. Indem sie etwa beim Stillen den Kopf von der Brust wegdrehen, sie den Löffel mit dem Essen wegschieben, die Lippen zusammenpressen oder zu Weinen beginnen auf dem Arm eines Fremden etc. Es macht Sinn, auch diese Reaktionen des Kindes schon in Worte zu fassen. „Ah, du drehst deinen Kopf weg. Bist du satt?“„Oh, jetzt hast du dich erschreckt? Ich bin hier bei dir. Willst du zurück auf meinen Arm?“ So baust du nach und nach ganz nebenbei einen Gefühlswortschatz mit deinem Kind auf. Er ist der Grundstein für die Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern.

Keep cool! Fünf Ideen, wie du das Nein deines Kindes gut hören kannst

#1 Ein Nein ist oft nicht so absolut, wie wir es hören

Wie gesagt, dein Kind entdeckt sich und seinen Forschergeist. Es beobachtet genau, wie du auf dieses kleine Wörtchen reagierst. Versuche deshalb, so ruhig wie möglich zu bleiben. Atme tief durch, überlege vielleicht noch einmal, wie wichtig dir das Anliegen in diesem Moment ist. Manche Dinge können warten. Manchmal braucht es auch nur Kleinigkeiten, um ein „Nein“ in ein „Ja“ zu wandeln.

Nimm‘ das „Nein“ deines Kindes auf jeden Fall zunächst ernst und spiegle ihm verbal oder nonverbal wider, dass du seinen Einwand gehört hast. „Du magst jetzt keine frische Windel anziehen. Du bist gerade so schön mit Spielen beschäftigt, stimmt’s?“ – Manchmal reicht allein das schon, um die Situation aufzulösen.

Darüber hinaus gibt es Situationen, in denen dein Kind von Anfang an ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hat und du ein „Nein“ immer akzeptieren solltest. Zum Beispiel, wenn dein Kind keinen Hunger mehr hat, sich bei jemand anderem unwohl fühlt oder seinen Mund zum Zähneputzen nicht öffnen will. Mir ist bewusst, dass gerade der letzte Punkt ein umstrittenes Thema ist. Ich komme daher darauf unter den Punkten 4 und 5 noch einmal zurück.

#2 Stille das Bedürfnis deines Kindes nach Autonomie in vielen kleinen Alltagssituationen

Gerade, wenn dein Kind mitten in der Autonomiephase ist, braucht es immer wieder Situationen, in denen es selbst machen und entscheiden darf. Überlege dir also vielleicht vorher, in welchem Rahmen dein Kind seine Autonomie ausleben darf. Gelbes oder blaues T-Shirt? Apfel oder Banane? Spielplatz oder Garten?

Achtung: Je nach Charakter kann dein Kind von allzu vielen Entscheidungen auch überfordert sein. Du bist die Expertin für dein Kind, schau also genau hin, wie viel Wahlfreiheit euch beiden guttut.

An dieser Stelle mag ich auch etwas zum Thema „Grenzen“ schreiben: Es geht für mich vor allem darum zu schauen, wo die persönlichen Grenzen von mir als Mama liegen. Für die eine ist es okay, dass ihr Kind fröhlich die Erde aus den Blumentöpfen holt, eine andere hat ein großes Bedürfnis nach Sauberkeit und Ordnung und schreitet vielleicht eher ein. Das ist völlig in Ordnung. Vielleicht kannst du nur schauen, wie du das Bedürfnis deines Kindes nach Matschen und Spielen in Bahnen lenkst, mit denen auch du einverstanden bist.

#3 Bereite Situationswechsel gut vor

Wenn ich darauf schaue, in welchen Situationen es mit meinen drei Kindern herausfordernd wird und ich somit auch ein „Nein“ sehr schlecht hören kann, dann lande ich immer wieder beim Thema Übergänge. Kinder haben noch kein Verständnis von und für Zeit. Sie leben im Hier und Jetzt. Es ist für sie also völlig unverständlich, warum Mama sie mitten aus dem Spiel reißt. Wir haben im Sommer eine ganze Blogparade dazu veranstaltet.

Zum Gelingen eines Überganges (und somit zu einem deutlichen Weniger an „Neins“) tragen folgende Bausteine entscheidend bei: eine großzügige Zeitplanung, ein mehrmaliges Ankündigen des Übergangs, ein Mitnehmen von Gegenständen von der alten in die neue Situation sowie die Entwicklung von Ritualen und Routinen.  

#4 Frage dich: Welches Bedürfnis erfüllt sich mein Kind mit dem „Nein“?

Wenn dein Kind zu etwas „Nein“ sagt, dann sagt es in diesem Moment „Ja“ zu etwas anderem. Das ist eine der Grundannahmen der Gewaltfreien Kommunikation. Wir Menschen tun zu jedem Zeitpunkt etwas, um uns ein Bedürfnis zu erfüllen. Sagt dein Kind also zum Beispiel „Nein“ zu der Aufforderung, seine Jacke anzuziehen, dann wird es in diesem Moment einen guten Grund dafür haben. Vielleicht hat es deine Bitte nicht verstanden, weil sie nicht konkret genug war? Oder es hat die Bitte zwar verstanden, doch es kann sie gerade nicht erfüllen. Entweder, weil es vielleicht rein motorisch noch gar nicht in der Lage dazu ist, es zu müde ist, es Hunger hat… oder aber, weil dein Kind sich in diesem Moment ein anderes Bedürfnis erfüllt.

Welches genau das ist, variiert natürlich von Fall zu Fall. Es kann Autonomie dahinterstecken. Es will vielleicht einfach den Moment selbst entscheiden. Vielleicht ist auch das Bedürfnis nach Spiel und Spaß berührt – es mag einfach gerne noch weiterspielen. Beim Zähneputzen kann es sein, dass dem Kind der Eingriff in seine körperliche Integrität stört. Hier ist vor allem Geduld gefragt, vielleicht auch ein gegenseitiges Aushandeln darüber, wie die Situation für alle Beteiligten gestaltet werden kann.

Wenn du Lust hast, dann lade dir gerne bei uns auf der Seite unsere „Bedürfnis-Schatzkarte“ herunter. Sie leitet dich anhand von Fragen zu unterschiedlichen Bedürfnissen deines Kindes.

Und hier hat Verena die häufigsten Gründe aufgezählt, warum Bitten scheitern.

#5 Was ist dein guter Grund? Was braucht dein Kind?

Das Bedürfnis deines Kindes zu kennen, ist deshalb so wichtig, um von da aus weiter ins „Gespräch“ zu kommen. Wenn dein Kind sehr klein ist, dann kann das wie gesagt auch auf nonverbaler Ebene passieren. Entscheidend ist deine Haltung dem Kind gegenüber. Was es gerade fühlt und braucht, kannst du auch für das Kind in Worte fassen.

In der Gewaltfreien Kommunikation wollen wir weg von der Macht und dem Drohen und Strafen, hin zur freiwilligen Kooperation. Deshalb formulieren wir unser Anliegen in einer Bitte. Bitten sind positiv und benennen realistische Handlungen, die jetzt in diesem Moment konkret umsetzbar sind. Wir laden den anderen ein, sich mit unserem Bedürfnis zu verbinden und geben ihm die Sicherheit, dass wir auch seine Bedürfnisse sehen und diese zählen. Und ganz wichtig: Bitten lassen ein Nein zu.

In der Kommunikation mit Kindern kannst du das vereinfacht anwenden. Erkläre deinem Kind in wenigen und leicht verständlichen Worte, welchen Sinn deine Bitte hat und wie wichtig sie dir ist. Das setzt natürlich voraus, dass du dir dessen vorher bewusst bist. Wo wir wieder beim Thema Zähneputzen wären. Warum ist es dir wichtig, dass das Kind die Zähne putzt? Wo sind deine persönlichen Grenzen? Ist Zähneputzen im Bett okay? Erst Geschichte dann Bad? In den allermeisten Fällen werdet ihr Lösungen finden.

Deine Bitte ist eigentlich eine Forderung?

Solltest du merken, dass ein „Nein“ für dich nicht in Frage kommt, dann ist das auch okay. In diesem Fall kannst du nur gleich das Wort „bitte“ weglassen. Denn dann handelt es sich ganz klar um eine Forderung. Damit begibst du dich auf eine andere Ebene der Kommunikation. Ich gebe zu: Je nach Thema, Situation und eigenem Energiehaushalt komme ich auch immer mal an diesen Punkt. Das ist okay. Tu dann nur dir selbst und deinem Kind einen Gefallen und sei so klar wie möglich, zum Beispiel mit einer konfrontierenden Ich-Botschaft.

Was, wenn es nicht funktioniert?

Tja, GFK ist nicht dazu da, zu „funktionieren“. Ich erhöhe mit dieser Methode und der dahinterstehenden Haltung lediglich die Chance, von meinem Gegenüber gehört zu werden. Zudem hilft sie mir, mir dessen bewusst zu werden, was mir wirklich wichtig ist. Wo will ich ganz klar sein? An welchen Stellen lasse ich mit mir reden? Das gibt den Kindern Orientierung und die Möglichkeit, mich als authentischen Menschen mit eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu erleben. Das spüren auch Babys schon sehr gut.

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Birthe

Mama von Zwillingen und einer Großen, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation und Journalistin, lernt mit Begeisterung neue Dinge. Sie schwankt zwischen Freude und Verzweiflung über ihre lebendige Familie.

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