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Umgang mit Gefühlen

Basisemotionen – Woher kommen sie und welche Aufgabe haben sie?

By 12. Januar 2022September 24th, 2022One Comment 8 min read
Die sechs Basisemotionen

Mal ganz ehrlich, ein Leben ohne jegliche Emotionen wäre ziemlich trist. Aber sicher hast du dir auch schonmal gewünscht, dass du zumindest manche davon nicht fühlen musst. Oder wenigstens nicht so intensiv. Oder so oft. Wozu haben wir überhaupt unangenehme Emotionen, ist das ein Streich der Natur?

Natürlich nicht. Die Evolution hat es nicht vorgesehen, unnötige Anlagen über Jahrtausende weiterzutragen. Unsere Emotionen waren und sind für unser Überleben notwendig. Jede einzelne von ihnen erfüllt einen ganz besonderen Zweck, und den wollen wir uns doch mal genauer anschauen. Aber bitte von Anfang an!


Was sind überhaupt Emotionen?

Die Psychologie differenziert zwischen Emotionen, Gefühlen und Stimmungen. Entscheidend ist hierbei vor allem, wie lange der Zustand des Fühlens andauert. Emotionen sind am kurzweiligsten. Sie brechen plötzlich und intensiv über uns herein, sind aber genauso schnell wieder verflogen.

Einige Emotionen werden von einem ganz bestimmten Gesichtsausdruck und einer eindeutigen Körpersprache begleitet, sodass man sie ganz ohne Worte überall auf der Welt versteht. In der Psychologie heißen diese Emotionen „Basisemotionen“. Sie begleiten uns schon im frühesten Kindesalter und wir können sie kulturübergreifend an ihrem spezifischen Ausdruck erkennen. Hier liegt also schonmal ein riesiger Vorteil – Emotionen sind verständlich, auch wenn Worte fehlen. Sie senden ganz klare Zeichen nach außen. Über die genaue Anzahl der Basisemotionen ist sich die Wissenschaft uneinig.

Die sechs Basisemotionen nach Paul Ekman

Wir orientieren  uns in diesem Text an den sechs Basisemotionen nach Paul Ekman. Dazu können wir uns auf verschiedenen Ebenen anschauen, woran du die jeweilige Emotion erkennen kannst.

Zum Einen gibt es den affektiven Ausdruck, also was in deinem Körper vorgeht, wenn du die Emotion erlebst.

Zum Anderen gibt es die Bewertung, die bei uns im Kopf stattfindet und für jeden ein bisschen anders ist. Dies ist die kognitive Ebene. Zu guter Letzt möchten wir herausfinden, warum die Emotionen uns wortwörtlich das Leben gerettet haben und welche wichtige Rolle sie heute für uns spielen.


Die Freude – sie steht uns ins Gesicht geschrieben

Basisemotion Freude: Ein Kind springt in eine Pfütze und lacht dabei.
So sieht wahre, pure Freude aus: Ein Kind springt in eine Pfütze.
Foto: Nathan Dumlao / Unsplash

Beginnen wir zum Warmmachen mal mit einer angenehmen Emotion. Du kennst bestimmt den Ausdruck „Die Freude steht dir ins Gesicht geschrieben!“. Und es ist wahr, Freude lässt sich an den hochgezogenen Mundwinkeln, den zugekniffenen Augen und der offenen Körperhaltung wunderbar erkennen. In unserem Körper werden Hormone ausgeschüttet, die uns glücklich machen. Außerdem schlägt der Puls schneller. Wenn wir diese Körperempfindungen haben, bewerten wir sie als Freude. Sie zeigt unseren Mitmenschen, dass es uns gut geht.

Aber welchen evolutionären Vorteil hat uns diese Emotion gebracht, der über das pure Vergnügen hinaus geht? Lachen ist ansteckend! Freude verbindet! Für unsere Vorfahren war es überlebensnotwendig einer Gemeinschaft anzugehören. Ein Blick ins Tierreich genügt, um die zahlreichen Vorteile zu erkennen, die ein Leben im Rudel bietet. Denn gemeinsam ist man vor allem Eines: stärker.

Der Ekel – unsere kleine Warnleuchte

Basisemotion Ekel: Eine Frau streckt die Zunge raus und kneift die Augen zusammen.
Bäh, das ist eklig!
Foto: Toa Heftiba / Unsplash

Schon bei Säuglingen ist es offensichtlich, wenn ihnen etwas nicht schmeckt. Das ganze Gesicht zieht sich angewidert zusammen, vielleicht wird auch noch die Zunge herausgestreckt. Allein der Ausdruck von Ekel erfüllt bereits eine wichtige Funktion: Bitte ausspucken! Bitte nicht schlucken!

Hast du schon einmal etwas gegessen, wovon dir danach schlecht geworden ist? Wenn du jetzt an dieses Lebensmittel denkst, es siehst oder riechst, empfindest du vielleicht auch Ekel. Das ist dein Körper, der dich daran erinnert: „Achtung, beim letzten Mal ist das ganz und gar nicht gut gegangen!“.

Unsere Vorfahren haben natürlich nicht nur Pflanzen entdeckt, deren Verzehr Übelkeit auslöste. Einige waren weitaus gefährlicher und vielleicht sogar tödlich. Dann musste der Ekel die Überlebenden vor einem erneuten Kennenlernen schützen. Gleiches gilt auch für den Kontakt mit Körperausscheidungen, toten Tieren, Insekten und Spinnen.

Ekel schützt uns vor möglichen Krankheiten und Gefahren. Begrüße also den Ekel in deinem Leben, denn er will nur das Beste für dich!

Die Trauer – wir brauchen sozialen Rückhalt

Basisemotion Trauer: Eine Frau weint und hat ihre Arme vor dem Körper verschränkt.
Wenn wir Trauer empfinden, dann sind wir nicht so kraftvoll wie sonst und brauchen Unterstützung.
Foto: Kat J / Unsplash

Tränende Augen, hängende Mundwinkel, eng zusammen gezogene Augenbrauen, schlaffe Schultern. Wenn wir traurig sind, sieht man das klar und deutlich. Doch was vermittelt uns dieser Körperausdruck neben dem „Tröste-mich“ Faktor? Dahinter versteckt sich eine wichtige Botschaft: „Kümmere dich um mich. Ich habe gerade nicht die Kraft und Ressourcen, um wachsam zu sein und Acht zu geben.“ Es ist eine Aufforderung nach sozialem Rückhalt und Unterstützung.

Wenn wir uns in die Lage unserer Urahnen versetzen, war dies eine durchaus wichtige Information für das Überleben eines Stammes. Denn Trauer zehrt an der Substanz, sie macht uns unkonzentriert und blendet den Rest der Welt aus. Jemand, der traurig war, wird seine Aufgaben nicht so sicher erledigt haben können und war auf den Rückhalt seiner Gemeinschaft angewiesen.

Auch heute hat sich die Kernbotschaft nicht verändert. Ein Kind, das weint, wird sich schneller beruhigen, wenn es von seiner Bezugsperson ernst genommen und getröstet wird. Der Ausdruck von Trauer ruft uns Helfer an Board. Nicht umsonst ist ein gesundes soziales Netzwerk einer der wichtigsten Schutzfaktoren, um Depressionen vorzubeugen. Die Trauer sorgt dafür, dass Andere für uns sorgen, wenn wir es selber gerade mal nicht schaffen.

Und was kann sie noch? Sie gibt dir ein klares Signal, dass dir etwas oder jemand sehr wichtig ist. Wenn du ergründest, wo deine Trauer wirklich herrührt, findest du vielleicht einen besseren Umgang damit.

Die Überraschung – hier ist Konzentration angesagt

Basisemotion Überraschung: Frau nimmt Hand vors Gesicht und hat Augen weit offen.
Huch, was war denn da?
Foto: Raamin Ka / Unsplash

Tja, mit der Überraschung wird es schon etwas kniffeliger herauszufinden, wozu sie uns nützt. Denn es geht hier weder um einen gefährlichen Säbelzahntiger noch um tödliche Krankheiten. Die Überraschung bringt uns aber einen ganz besonderen Vorteil. Es ist die Art unseres Körpers dem Gehirn zu sagen: „Hey, pass jetzt mal gut auf! Das kennst du noch nicht und du kannst hier was lernen.“

Wenn wir überrascht sind, verengt sich schlagartig der Fokus auf das Objekt, das die Überraschung ausgelöst hat. Wir sind hochkonzentriert und saugen alle neuen Informationen auf wie ein Schwamm. Überraschung hilft uns also beim Lernen. Wenn du dich im Alltag überrumpelt fühlst, kannst du dies vielleicht auch als eine Chance sehen. Warum bist du überrascht? Was hättest du anders erwartet und warum? Wie kannst du aus der Situation lernen?

Die Angst – oftmals Lebensretter

Basisemotion Angst: Eine Junge schaut erschrocken zu einer Stelle, die der Betrachter nicht sehen kann.
Hilfe, Gefahr! Dieser Junge hat ganz offensichtlich Angst vor etwas oder jemandem.
Foto: Xavi Cabrera / Unsplash

Die Angst ist wohl unser eindeutigster Lebensretter. Denken wir wieder an unsere Vorfahren. Stell dir vor, du lebst in dieser Zeit. Plötzlich steht ein Säbelzahntiger vor dir. Deine Atmung geht schneller und der Puls erhöht sich, um deine Muskeln mit Sauerstoff zu versorgen. Warum ist glasklar – dein Körper macht sich auf zwei Szenarien bereit: Entweder schaffst du es noch rechtzeitig zu fliehen oder du musst dich im Kampf behaupten, wofür du dich voll Energie fühlen musst und Schmerzen erstmal ausgeblendet werden. Dafür sorgt das Adrenalin, welches deinen Körper durchströmt. Die Angst sagt dem Körper: „Action!“.

Die Wahrscheinlichkeit, dass morgen ein Säbelzahntiger vor deiner oder meiner Türe steht, ist wohl verschwindend gering. Dennoch hat sich der Affekt von Angst nicht stark verändert. Wir erleben sie nur (meist) in weniger lebensbedrohlichen Situationen. Damit sagt unser Körper: „Achtung! Gefahr! Mach dich bereit zu handeln!“ oder „Hey, ich erlebe hier gerade großen Stress und möchte am liebsten abhauen.“ Du siehst also, wie wichtig es ist, dass wir Angst spüren können.

 Ob wir nun vor einem Säbelzahntiger oder einer neuen Aufgabe stehen: Die Angst versorgt uns mit der nötigen Energie, um das Problem anzugehen. Dabei sollten wir immer im Kopf behalten, dass wir darüber entscheiden, wie wir die Körperwahrnehmung bewerten. Hoher Puls, Adrenalinrausch, Zittern und feuchte Hände….muss das wirklich zwangsläufig Angst sein? Wie fühlt sich der Körper denn an, wenn man frisch verliebt ist? Richtig, genau so.

Die Wut – unsere Motorleuchte

Basisemotion Wut: Eine wütende Frau rauft sich die Haare.
Wut ist immer ein Zeichen dafür, dass eine Grenze erreicht oder überschritten ist.
Foto: Malicki M Beser / Unsplash

„Halt, stopp! Sofort rechts ranfahren und nachschauen, was da nicht stimmt!“, das würde die Wut wohl zu uns sagen. Wenn diese Emotion denn mit uns sprechen könnte. Oder vielleicht auch eher: Wenn wir ihr mal zuhören würden!

Denn von allen Basisemotionen ist sie die Kandidatin, die am meisten unterdrückt wird. Weil wir so sozialisiert worden sind, dass sich wütend sein „nicht gehört“.

Dabei ist die Wut deine Freundin! Sie weißt dich ganz klar darauf hin: Hier stimmt etwas nicht! Eine Grenze von dir ist überschritten worden. Sofort einen anderen Kurs einlegen. Über die Wut hat Birthe schon einiges geschrieben, vor allem über die so genannte „Mama-Wut“. Hier geht es zum Beitrag.

Achtsamkeit hilft beim Umgang mit Emotionen

Der feine Unterschied ist hier wirklich unser Hirn, das den Körperzustand anders bewertet. In der einen Situation sind es die „Schmetterlinge im Bauch“ und in einer anderen Situation ist es vielleicht Panik. Beim Umgang mit Emotionen kann Achtsamkeit helfen. Denn unser Gehirn hat einen ganz großen Einfluss auf unsere Gefühlswelt und wir dürfen mitentscheiden, wie es uns geht. Mit Training und Geduld können wir zunächst. zu einem besseren Verständnis unserer Emotionen und schließlich auch zu einem besseren Umgang mit uns selbst gelangen.

Wie du siehst, hat wirklich jede dieser Basisemotionen eine Daseinsberechtigung in unserem Leben. Sie alle sind dafür gedacht, uns zu schützen und sicher zu halten. Wie wir mit ihnen umgehen, liegt dann ganz an uns.

Titelfoto: Tengyart / Unsplash

Ganz neu: Tool-Box Wut

Im Familienalltag packt dich manchmal unbändige Wut – und du willst endlich einen vernünftigen Umgang damit finden?

Dann ist die Tool-Box Wut genau das, wonach du suchst!

Du bekommst in dem Kurs vier ineinandergreifende Werkzeuge an die Hand, die dir helfen, den Teufelskreis aus Druck, Überforderung, Wut und Schuldgefühlen zu unterbrechen. Indem du nach und nach neue Verhaltensweisen etablierst und dich selbst immer besser kennenlernst.

Hier gibt es weitere Informationen für dich!

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One Comment

  • Danke für diesen wundervollen Beitrag! 🥰

    Ich finde die evolutionsbiologische Perspektive immer wieder großartig. Was unser Körper da für uns macht, ist einfach faszinierend.

    Meine liebste Basisemotion ist die Freude, die ich ganz leicht auf die Bühne in meinem Kopf einladen kann. 🤪🥳 Doch auch mit den anderen setze ich mich gerne auf einen Kaffee, Tee (oder auch ein Glas Wein) zusammen. 😉

    Ich freue mich sehr darauf, mehr von dir zu lesen, Grace. Ich bin schockverliebt in deinen Schreibstil. 😍

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