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Was zum Teufel war das eben? Du bist komplett ausgerastet, von einer Sekunde auf die andere zum Hulk geworden. Wie ein Vulkanausbruch hat sich das angefühlt. Und deine Wut hat sich wie heiße Lava auf die ganze Familie verteilt. Auch wenn’s wehtut: Lass‘ uns mal genauer hinschauen. Denn nur, wenn wir der Mama-Wut ins Gesicht schauen und ihr vor allem gut zuhören, verliert sie ihren Schrecken.

Bevor ich Mama wurde, kannte ich manche Gefühle überhaupt nicht in dieser Intensität. Zweifelsohne zählen dazu auch Gefühle wie Freude und Glück – doch um die soll es heute nicht gehen. Denn diese erleben wir selbst ja als angenehm, und zudem sind sie gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern ganz unmittelbar mit den Erwartungen ans Elternsein verknüpft.

Mama-Wut gleicht einem Vulkanausbruch

Ganz anders sieht die Sache da mit der Mama-Wut* aus. Diese erleben wir als unangenehm. Wir neigen dazu sie unterdrücken oder wegmachen zu wollen, uns von ihr abzulenken oder sie zumindest in ganz klare Bahnen zu lenken. Leider mag die Wut das so gar nicht. Sie ist so stark und vehement, dass sie auf jeden Fall mit ihrer Botschaft gesehen werden will. Und so bricht sie dann irgendwann umso stärker heraus. Wie ein aktiver Vulkan. Mit manchmal nahezu unvorhersehbaren Folgen für ihre Umwelt.

*Ich bin ein großer Fan davon, zu gendern und ich weiß, dass auch einige Papas hier mitlesen. Dennoch habe ich mich in diesem Fall bewusst dafür entschieden, nur Mamas anzusprechen. Denn es besteht ein großer Unterschied in der gesellschaftlichen Akzeptanz von männlicher und weiblicher Wut. Noch. Ich hoffe sehr, dass ich mit meiner Arbeit einen kleinen Beitrag zum Umdenken leisten kann.

In diesem Text will ich vor allem die Wut aus ihrem Untergrund-Dasein herausholen. Ich will, dass wir ihr gemeinsam ins Gesicht schauen. Um folgende drei Fragen geht es:

  • Woher kommt die Mama-Wut?
  • Was will die Mama-Wut dir sagen?
  • Wie findest du einen gesunden Umgang mit der Mama-Wut?
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Foto: Pixabay/Pexels

Woher kommt die Mama-Wut?

Ein Kind zu bekommen ist so ziemlich die krasseste Veränderung im Leben einer Frau. Gerade heute! Denn waren wir zuvor noch maximal selbstbestimmt und wirksam (zum Beispiel in unserem Job), so ist mit der Geburt von heute auf morgen alles auf den Kopf gestellt. Dieses hilfsbedürftige kleine Wesen braucht uns. Es hat klare Bedürfnisse, die keinen Aufschub dulden.

Also ist klar, WER hier Bedürfnisse aufschiebt: Wir selbst. Die Mamas. Von der Autonomie landen wir dann schnell in der maximalen Fremdbestimmung. Und das schmerzt ungemein.

Denke um – raus aus der Opfer-Rolle!

Stopp! Hier darfst du bereits damit beginnen, umzudenken: Die Gewaltfreie Kommunikation lädt uns dazu ein, auf die Bedürfnisse zu schauen, die wir uns mit dem Umsorgen unseres Kindes erfüllen (Fürsorge, Liebe, Verbindung). Es macht einen echten Unterschied im Mindset, wenn du aktiv die Opferrolle verlässt und deine Versorgerinnenrolle als bewusste Entscheidung annimmst. Du willst jetzt für dieses Kind da sein. Mit allem, was dazu gehört.

Und gleichzeitig will ich keinesfalls kleinreden, dass bei Mamas schnell der eigene Bedürfnis-Haushalt in die Schieflage gerät. Welche Bedürfnisse da genau betroffen sein können, schauen wir uns noch genauer an.

Unsere Kinder katapultieren uns zurück in unsere eigene Kindheit.

Ein weiterer wichtiger Grund für die Mama-Wut, ist die Konfrontation mit den starken Gefühlen deines Kindes. Es lebt diese noch ungezügelt und intensiv aus und lernt erst nach und nach, sich von ihnen nicht mehr so überfluten zu lassen. Dafür braucht es deine Co-Regulation. Mehr zu diesem Thema liest du hier.

Gleichzeitig katapultieren die starken Gefühle unseres Kindes uns jedoch häufig unmittelbar zurück in unsere eigene Kindheit. In Situationen, in denen wir diese Gefühle eben gerade nicht ausleben durften. In denen ein Erwachsener versucht hat, diese möglichst schnell wegzumachen, abzustellen oder umzulenken. Wir haben also tief in unserem Innersten abgespeichert: Solche Emotionen sind gefährlich.

Ich könnte weggeschickt werden. („Geh‘ sofort auf dein Zimmer!“). Ich könnte aus meiner Gruppe ausgeschlossen werden („Wenn du so bist, dann mag ich nicht mehr mit dir spielen.“). Vielleicht bekomme ich das Gefühl, schuldig oder falsch zu sein („Guck mal, jetzt ist die Mama wieder traurig, nur weil du so ein Drama machst.“). Oder ich zahle einen direkten „Preis“ dafür („Heute Abend gibt es für dich keine Gute-Nacht-Geschichte mehr.).

Mama-Wut ist wie die Warnleuchte im Auto.

Unsere heutige Elterngeneration versucht nun also einen besonderen Spagat: Wir wollen unsere Kinder liebevoll und bedürfnisorientiert begleiten. Wir wollen ihnen vermitteln: „Alle Gefühle sind okay“. Doch leider, leider sind wir selbst ja eben größtenteils NICHT so aufgewachsen und haben eben gerade NICHT gelernt, wie wir mit unseren starken Gefühlen liebevoll und annehmend umgehen können.

Also halten wir fest: Bedürfnisse geraten als Mama schnell in einen Mangelzustand. Daher erfüllt die Wut eine wichtige Aufgabe. Sie weist uns energisch darauf hin, dass für unser Überleben elementar wichtige Dinge ins Hintertreffen geraten sind. Vergleichbar mit der Motorleuchte im Auto. Wenn diese erstmal angegangen ist, fährst du auch nicht noch ewig weiter, sondern schaust nach, was los ist. Oder?

Was will die Mama-Wut dir sagen?

Ich kann dir sagen, dass ich leider früher sehr oft alle blinkenden Warnleuchten ignoriert habe und einfach weitergemacht habe. In der Hoffnung, dass die Leuchten schon irgendwann ausgehen würden. Tja, was soll ich sagen? Du ahnst, wie das ausging.

Doch was genau will dir diese unbändige Mama-Wut eigentlich sagen? Hier einige Ideen:

  • Eine persönliche Grenze von dir ist (mehrfach) überschritten worden.
  • Jemand sagt etwas zu dir oder über dich, was so nicht stimmt.
  • Jemand sagt etwas zu dir oder über dich, was sehr wohl stimmt, dich jedoch sehr schmerzt.
  • Du wirst daran gehindert etwas zu tun, was dir sehr wichtig ist.
  • Jemand respektiert deine Bedürfnisse und/oder Werte nicht.
  • Du beobachtest eine Ungerechtigkeit.
  • Du fühlst dich hilflos und/oder überfordert.
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Foto: Flora Westbrook/Pexels

Mama-Wut kann auch ein Hinweis auf Anteile in uns sein, die wir nicht ausleben.

Gerade an dem letzten Punkt siehst du: Sehr oft steckt hinter der Wut noch ein anderes Gefühl. In diesem Fall Hilflosigkeit oder Überforderung. Oft ist es auch die Angst, eine Unsicherheit, ein Schmerz oder tiefe Trauer.

Du kannst dich fragen, welche Anteile von dir du vielleicht in deinem Mama-Sein gerade nicht lebst. Was kommt zu kurz? Welche Bedürfnisse sind vielleicht zwischen Windeln und Einschlafbegleitung, Stillen und Hausaufgaben völlig verschütt gegangen? Bist du vielleicht auch übermüdet oder überreizt? Sind da viel zu viele Aufgaben auf deinem Zettel, und du hast keine Ahnung, wie du sie alle bewältigen sollst? (Lies hierzu gerne auch meinen Text über Mental Load.)

Fühlst du dich wie ferngesteuert?

Je heftiger der Gefühlssturm über dich braust, je unvermittelter er einsetzt, desto älter ist vermutlich der Schmerz, der ihn ausgelöst hat. Hier hilft dir dann leider auch all dein Wissen nicht weiter, denn wir müssen eine Ebene tiefer graben. „Es ist, als wären wir innerlich wie ferngesteuert, als hätte jemand einen Joystick in der Hand“, beschreibt es meine Kollegin Anna-Leke von Langendorf, die sich auf Innere-Kind-Arbeit spezialisiert hat.

Das Innere Kind ist ein Anteil von uns, der in jüngsten Jahren, teils schon vor der Geburt, Erfahrungen gemacht hat. Vor allem schmerzhafte Gefühle, unerfüllte Bedürfnisse, innere Mängel und Sehnsüchte speichert unser Unterbewusstsein ab. Auch in Situationen, die zunächst einmal augenscheinlich überhaupt nichts mit deinen Erlebnissen aus der Kindheit zu tun haben, können diese Erfahrungen mit einer unglaublichen Kraft wieder an die Oberfläche kommen.

Hier lohnt es sich definitiv, ganz genau hinzuschauen und vor allem auch Strategien einzuüben, mit denen wir annähernd gewaltfrei durch die Situation kommen. Lies gerne hier weiter, wenn dich das Thema „Inneres Kind“ interessiert.

Wie findest du einen gesunden Umgang mit der Mama-Wut?

Was uns in jedem Fall hilft, ist ein liebevoller Blick auf uns selbst und vor allem unsere Wut. Ich weiß, es klingt so viel leichter, als es ist. Und dennoch schreibe ich es hier auf: Versuche, deine Wut anzunehmen und ihr vor allem zuzuhören. Lasse zu, dass sie dich einmal komplett durchströmt. Das dauert tatsächlich nur um die 90 Sekunden, bis du ein Gefühl komplett gefühlt hast. Dann verschwindet es in der Regel auch wieder. Vorausgesetzt, es kommen keine Gedanken dazwischen…

Versuche, der Wut mit Neugier und Forschergeist zu begegnen:

  • Wo genau kannst du sie spüren? Im Gesicht? Im Bauch? In deinen Fäusten?
  • Wie fühlt sie sich an? Ist sie heiß?
  • Wodurch wird sie ausgelöst?
  • Was sind deine Trigger?
  • Kannst du (eventuell auch rückblickend) bestimmte körperliche Anzeichen ausmachen, dass die Wut im Anmarsch ist?

Und da wir Menschen nun einmal Strategien lieben, bekommst du hier auch noch eine kleine Liste mit Dingen, die hilfreich sein können, wenn dich mal wieder die Wut packt. Sozusagen dein Erste-Hilfe-Koffer. Du kommst damit jedoch nicht drumherum, deine Wunden im Nachhinein ordentlich zu versorgen 😉

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Foto: Andrea Piacquadio/Pexels

Wut vorbeugen:

1. Achte darauf, dass dein Bedürfnis- und Energietank gut gefüllt ist und bleibt. Lasse ihn nie ganz leer werden und denke an regelmäßige Pausen.

2. Erlerne einen achtsamen Umgang mit deinen Frühwarnsignalen. Diesen kannst du zum Beispiel bei mir im Gruppencoaching erkunden, das am 23.11.2021 beginnt. Bitte schreibe eine Mail an info@leuchtturm-eltern.de – dann setze ich dich unverbindlich auf die Warteliste.

3. Übe Techniken ein, mit denen du deine Gefühle fühlen lernst und sie als freundliche Besucher empfängst. Auch darauf werden wir im Gruppencoaching eingehen.

4. Reduziere dein Mental Load bzw. sprich‘ mit deinem Partner oder deiner Partnerin darüber, wie ihr die Belastung fair aufteilt.

5. Entwickle für Situationen, die immer wieder aufs Neue brenzlig für dich sind, mehrere wirkungsvolle Strategien. Darum wird es unter anderem in unserer Challenge vom 9.-13.11.2021 gehen (siehe unten).

6. Reflektiere im Nachhinein, was zu einem Wutausbruch geführt haben könnte.

7. Beschäftige dich ggf. mit Techniken, wie du eine Beziehung zu deinem Inneren Kind aufbaust und pflegst.

Notfall-Versorgung

1. Musik aufdrehen und tanzen, Hüpfen, Stampfen – Hauptsache die Energie darf raus.

2. Zehn Gegenstände im Zimmer aufzählen, um das Hirn auf andere Gedanken zu bringen. Funktioniert z.B. auch mit rückwärts zählen.

3. Die Situation verlassen – mit oder ohne Giraffenschrei.

4. Auf die Terrasse / ans Fenster gehen und bewusste atmen. Achtung: Hierbei sollte die Betonung auf einer langen und vollständigen Ausatmung liegen. Das beruhigt den Parasympathikus und lässt dich wieder entspannter werden.

5. Mach‘ dir Luft bei einer Empathiepartnerin oder einem Empathiepartner – oder nimm‘ eine Sprachnachricht für dich selbst auf. Du kannst auch einen Stift nehmen und einen Wutbrief schreiben.

Titelfoto: Andrea Piacquadio/Pexels

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Birthe

Mama von Zwillingen und einer Großen, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation und Journalistin, lernt mit Begeisterung neue Dinge. Sie schwankt zwischen Freude und Verzweiflung über ihre lebendige Familie.

2 Comments

  • Mary sagt:

    Hallo liebe Birthe,
    Dankeschön für deinen Beitrag. Sehr wertvoll. Ich beschäftige mich schon seit ein paar Jahren mit mir selbst – mit meinem inneren Kind (oder Schmerzkörper wie es Erkhart Tolle nennt). Ich habe schon ein paar Bücher von M. Rosenberg gelesen. Die Theorie über GFK hört sich sehr plausibel und verständlich an. Die Praxis ist nicht so einfach, insbesondere nach dem man Programme seit der Kindheit hat und auch wenn man bewusst darüber geworden ist, dass diese nichts nützen und vielleicht das Leben nur schwererer machen, sich so schnell umzuprogrammieren geht irgendwie nicht ..es ist ein langwieriger Prozess (bei mir)…Ich habe Wut in mir und ich meine zu wissen wo das herkommt , ich neige manchmal zur Aggression , das akzeptiere ich in mir nicht – es wird getriggert und ich raste aus – es ist Sekundenreaktion…ich kann es nicht kontrollieren…manchmal merke es wie die Wut in mir hochsteigt und bin öfters stolz darauf, dass ich bewusst bleibe und nicht in die Kindheit zurück wandere….aber diesen „Sekunden Aggression Knopf“, was auch manchmal gedrückt wird, bekomme ich nicht unter Kontrolle…
    ich habe das wunderbare Kind, dass meine „dunkele Seite “ mir immer wieder zeigt…was für ein Geschenk 🙏

    • Birthe sagt:

      Liebe Mary,
      vielen Dank fürs offene Teilen Deiner Erfahrungen und Gefühle.
      Ja, es ist unglaublich wichtig, dass wir unsere dunklen Anteile annehmen und ans Licht holen – denn ansonsten haben wir keine Chance, diese nach und nach aufzulösen.
      Die Gewaltfreie Kommunikation kann da unterstützen – sie ist jedoch bei mir auch nicht das einzige Werkzeug in meinem Köfferchen. Es gibt Dinge, da komme ich mir der GFK schlecht dran.

      Was diese Wut von 0 auf 100 angeht, kann ich zum Beispiel auch Achtsamkeit empfehlen oder Techniken, um ein Gefühl vollständig zu fühlen. Das dauert nämlich nur 90 Sekunden – wenn keine Gedanken dazwischen kommen…

      Ach und mir gibt die GFK gute Hinweise, wo ich tiefer graben darf. Was hinter meiner Wut liegt. Oft sind das ja uralte Glaubenssätze oder Schmerzen.

      Liebe Grüße,
      Birthe

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