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Rumgezappel, Matscherei und „Igitt, Gemüse!“ – Stressen dich Essituationen mit deinem Kind manchmal? Unsere Gastautorin Katharina Dreier verrät, wie du die Balance zwischen Entspannung beim Essen mit Kindern und deinen eigenen Grenzen hältst.

Kinder lernen durch Nachahmung, nicht durch Erziehung

Kinder lernen am allermeisten durch Nachahmen. Da kann man noch so viel sagen und auf Regeln pochen, wenn man selbst es anders vormacht, wird’s nix werden 😉 Das heißt erstens, dass du dich selbst an die Regeln halten solltest, von denen du möchtest, dass dein Kind sie einhält. Aber auch, dass du deinem Kind regelmäßig die Möglichkeit geben solltest, dich beim Essen zu beobachten. Auch deshalb ist es sehr sinnvoll so oft wie möglich gemeinsam mit seinen Kindern zu essen.

So lernt dein Kind zum Beispiel sehr schnell den Umgang mit Besteck, wenn es jeden Tag (am besten mehrmals) sehen kann, wie du welches benutzt. Dafür darfst und solltest du ihm sobald es am Familientisch mitisst natürlich auch Besteck zur Verfügung stellen. Denn ohne ausprobieren und üben wird es das, was es sieht nicht nachahmen können.

„Ich mag das nicht!“ – wie sich Geschmack entwickelt

Unser Ernährungsverhalten und unsere Essgewohnheiten werden größtenteils in den ersten Lebensjahren geprägt. Dies zeigt, wie wichtig es ist, Kinder früh an gesunde Nahrung heranzuführen und ihnen ein gutes Essverhalten vorzuleben.

Die Geschmacksentwicklung beginnt dabei schon im Mutterleib. Denn schon hier wird das Kind durch Aromen im Fruchtwasser auf die Ernährung seiner Mutter vorbereitet. Wie wir uns ernähren ist dabei überall auf der Welt sehr unterschiedlich, denn Essen ist sehr stark kulturell geprägt. Diese Vorbereitung auf die kulturell gefärbte Familienkost geht beim Stillen weiter, denn auch der Geschmack der Muttermilch verändert sich leicht durch die Nahrung der Mutter. So wird diese Nahrung dann bei der Einführung der Beikost auch am ehesten vom Kind akzeptiert.

Je mehr Geschmäcker Kinder im ersten Jahr kennenlernen und ausprobieren, desto offener bleiben sie neuen Lebensmitteln gegenüber.

Katharina Dreier, Ernährungsberaterin für Babys und Kleinkinder

Im ersten Lebensjahr sind Kinder aber generell noch sehr offen auch andere und stark schmeckende Lebensmittel zu probieren. Je mehr verschiedene Geschmäcker sie dabei im ersten Jahr kennenlernen und ausprobieren, desto offener bleiben sie neuen Lebensmitteln gegenüber.

Nichtsdestotrotz wird die akzeptierte Lebensmittelauswahl in der Autonomiephase geringer. Dies ist zum großen Teil evolutionsbedingt, denn in dieser Phase ihres Lebens entfernen sich die Kinder erstmals weiter von ihren Eltern. Hat ein Kind in der Steinzeit nun alles gegessen was es so gefunden hat, auch wenn es bitter oder sauer schmeckte, so war die Wahrscheinlichkeit, dass es etwas Verdorbenes oder Giftiges zu sich nimmt recht hoch. Kinder die diese Geschmäcker ablehnten, sind also viel eher unsere Vorfahren geworden!

Je mehr das Baby probiert, desto höher die Chance, dass es später vielfältige Lebensmittel akzeptiert. Foto: Pixabay

Unbekannte mit bekannten Lebensmitteln kombinieren

Richtige Vorlieben für bestimmte Geschmäcker und Lebensmittel können sich aber nur entwickeln, wenn man etwas häufiger probiert. Der so genannte „mere exposure effekt“ sorgt dafür, dass wir Lebensmittel lieber mögen, die wir häufiger essen. Neuen unbekannten Geschmäckern stehen wir und vor allem unsere Kinder erst einmal skeptisch gegenüber. Um Akzeptiert zu werden sind bei Kindern teilweise mindestens 8 Wiederholungen nötig! Hier heißt es also dranbleiben, und (ohne Druck!) immer wieder anbieten. Neue Lebensmittel kann man am besten immer in Kombination mit gut akzeptierten Lebensmitteln anbieten, das erhöht die Akzeptanz und Bereitschaft es zu probieren stark.

Der Gegenspieler dieses Effekts ist die so genannte „spezifisch-sensorische Sättigung“. Sie sorgt für die Entwicklung von Abneigungen und  wirkt einer einseitigen Ernährung entgegen. Eine zu häufige Wiederholung gleicher sensorischer Geschmacksempfindungen lässt uns diese also eher ablehnen. Kennt man ja oft auch bei sich selbst. Man hat eine Zeit lang etwas, dass man sehr gerne isst. Aber wenn man es übertreibt kann man dieses Lebensmittel oder Essen meist bald nicht mehr sehen.

Das Kind isst wochenlang nur die gleichen Lebensmittel? Keine Panik!

Dieser Mechanismus wirkt bei Kindern verzögert, und so können Kinder sich problemlos über Wochen vom Lieblingsessen ernähren, ohne dass sie diesem Überdrüssig werden. Vor allem, wenn wir Eltern in diesen Prozess immer wieder eingreifen und alles Mögliche Probieren, auch andere Lebensmittel ins Kind zu kriegen, weil wir uns um seine Nährstoffversorgung sorgen, zieht sich dies umso länger hin, denn die spezifisch sensorische Sättigung wirkt dann weniger stark. Aber Abneigungen und Präferenzen entwickeln sich auch durch Beobachten anderer. Beobachte also mal bei dir selbst, wie du isst und wie du auf neue Lebensmittel oder Gerichte reagierst.

„Ein Löffelchen für Oma…“ – Wie das natürliche Hunger- und Sättigungsgefühl erhalten bleibt

Kinder haben noch ein gut funktionierendes Gefühl für Hunger und Sättigung. Damit dies erhalten bleibt (was für ein gesundes Essverhalten immens wichtig ist!) sollte man Sättigungszeichen nie übergehen! Oft versuchen Eltern aus Sorge, dass das Kind zu wenig isst, es zum Weiter-/Aufessen zu überreden. Ich kann diese Sorge absolut nachvollziehen, nur in der Regel erreicht man damit nicht, dass das Kind gerne und genussvoll nach seinem Körpergefühl essen lernt.

Zur Beruhigung sei einmal gesagt: Ein gesundes Kind verhungert nicht am vollen Tisch! Manchmal kann es hilfreich sein, mal ein paar Tage aufzuschreiben, was das Kind so isst, um einen Eindruck zu bekommen ob es wirklich zu wenig ist. Und wenn sich dieser Eindruck erhärtet, sollte abgeklärt werden, wo die Ursache dafür ist. Die häufigsten Ursachen sind ein Eisen-/Zinkmangel (sorgt für Appetitlosigkeit) oder  Orale Restriktionen, zum Beispiel ein zu kurzes Zungenband. Letzteres sollte bei einer gut fortgebildeten Stillberaterin (bei kleinen Kindern, auch wenn nicht gestillt wird) bzw. Logopädin (bei größeren Kindern) abgeklärt werden. Informationen dazu findest du zum Beispiel hier.

Wichtig beim Thema Essen ist, dass das Kind entscheidet was und wie viel es vom angebotenen Essen isst. Die Aufgabe der Eltern ist es, für ein gesundes und ansprechendes Lebensmittelangebot zu sorgen. Wenn sie selbst auch ein gesundes Essverhalten vorleben und gerne neues probieren, sich nicht gleich den ganzen Teller vollpacken, mit Ruhe und Genuss essen etc. werden sich auch die Kinder viel eher diese Verhaltensweisen annehmen.

Essen gemeinsam zuzubereiten macht Spaß. Und meist schmeckt es dann auch besser.

Warum eine angenehme Atmosphäre zu einem gesunden Essverhalten führt

Geschmacksvorlieben sind sehr stabil und halten oft ein Leben lang. Es ist also wirklich wichtig, dass dein Kind schon früh an ein gesundes Essverhalten herangeführt wird. Aber Druck, Zwang und Verbote wirken sich negativ auf die Entwicklung gesunder Essgewohnheiten aus. Auch eine angespannte Atmosphäre oder Streitgespräche haben am Esstisch nichts zu suchen.

Die Gefühle, die ein Kind beim Essen hat, werden im Gehirn direkt mit dem Geschmack verknüpft abgespeichert. Wenn also z.B. Gemüse immer und immer wieder Streitthema am Esstisch ist, wird dein Kind diese Lebensmittel erst recht negativ belegen und möglicherweise sein Leben lang Schwierigkeiten haben sich gesund zu ernähren.

„Igitt, ich mag kein Gemüse!“ – Auch wenn’s schwerfällt: Bitte keinen Druck ausüben.

Verbote bewirken in der Regel, dass diese Lebensmittel besonders attraktiv werden und sind deshalb nicht zielführend. Es sind auch nie einzelne Lebensmittel, die (un-)gesund sind, sondern die Gesamtauswahl. Bei einem ausgewogenen Essverhalten ist auch Platz für vermeintlich ungesunde Lebensmittel.

Statt also das Kind zu einer gesunden Ernährung zu drängen sollten Eltern sie selbst vorleben und dem Kind eine gesunde Lebensmittelauswahl zur Verfügung stellen.

Das Essen gemeinsam zuzubereiten und gemeinsam in einer angenehmen Atmosphäre zu essen, hat dabei einen viel höheren Nutzen für die Entwicklung von gesunden Essgewohnheiten, als es über die Erziehung mit Druck aufs Kind zu versuchen.

Zappelphilipp und Co – Was tun, wenn die Situation am Tisch schwierig wird?

Es ist aber nicht nur das Essen selbst, das gerne mal für Streit am Tisch sorgt. Manchmal bringt uns alleine  das Verhalten unserer Kinder regelrecht zur Weißglut! Wenn das Kind auf dem Stuhl herumzappelt, ständig aufsteht, das Essen ausspuckt und drin herummatscht, kann das ganz schön nerven. Oder auch einfach super unappetitlich sein.

Wichtig ist hier, besonnen zu reagieren. Denn auch, wenn es sich nicht direkt um das Essen selbst dreht, werden die Gefühle mit dem Geschmack des Essens verknüpft.

little girl with chocolate covered face
Bei den Tischmanieren haben Eltern und Kinder oft sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Foto: Karolina Grabowska/Pexels.com

Überlege doch mal, welches Bedürfnis hinter dem Verhalten steckt. Was möchte das Kind erreichen? Was braucht es gerade? Und auch: Was löst das Verhalten in mir aus, warum ist mir diese Regel wichtig?

Wenn du weißt, welches Bedürfnis hinter dem Verhalten des Kindes steckt, kannst du die Situation viel leichter lösen. In der Regel verhalten sich unsere Kinder nicht so, um uns zu ärgern!

Steht dein Kind beim Essen ständig auf?

Dann hat es offensichtlich gerade einen Drang nach Bewegung. Vielleicht hilft es deinem Kind 10mal um den Tisch zu rennen, oder Hampelmänner zu machen um danach ruhiger sitzen zu können.

Dein Kind matscht nur im Essen rum?

Vielleicht ist es satt, oder es lernt das Essen einfach noch kennen. Das Essen anfassen zu können sorgt für viele neue Vernetzungen im Gehirn und hilft, das Essen kennenzulernen.

„Das macht man nicht“ – Was steckt wirklich dahinter? Wo sind deine eigenen Grenzen?

Wenn dein Kind Dinge tut, die dir nicht gefallen, dann überlege auch kurz, warum dir diese Regel gerade wichtig ist. „Macht man nicht“ ist dabei ein eher schlechter Ratgeber, denn es sind meist nicht deine eigenen Grenzen, die sich dahinter verbergen. Versuche deinen eigenen Grenzen zu finden und diese darfst und sollst du auf jeden Fall verteidigen! Wenn du klar sagen kannst, warum dir das jetzt wichtig ist, wird es dir viel leichter fallen diese Grenze zu ziehen und auch dein Kind wird es besser verstehen können.

Ganz wichtig ist dabei aber nie die Person, sondern nur das Verhalten zu kritisieren. Denn dein Kind sollte wissen und fühlen, dass es immer bedingungslos geliebt wird.

Ich hoffe mit diesen Informationen und Tipps  konnte ich dir zeigen, mit welchen Schritten du dein Kind auf dem Weg zu einer gesunden Ernährung begleiten kannst und wie du richtig mit unangenehmem Verhalten beim Essen umgehen kannst.

Deine Katharina

PS: Fall du mehr über eine gesunde Ernährung für Kleinkinder lernen willst, trage dich doch unverbindlich in die Warteliste für meinen neuen Online-Workshop „Von der Hand in den Mund: Gesunde Ernährung im Kleinkindalter“ ein.

Über Katharina Dreier

Mama von drei Kindern (3, 6 und 8 Jahre), Schlafberaterin, Stillberaterin, Trageberaterin und Fachkraft für Babygeleitete Beikost sowie angehende Ernährungsberaterin für Babys und Kleinkinder

Hier geht’s zu ihrer Seite.



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