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Alle Menschen haben ein Bedürfnis nach Empathie – darin war sich Marshall B. Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, sicher. Doch was genau ist eigentlich Empathie? Und kann ich diese erlernen? Hier gibt es praktische Impulse für dich.

Marshall B. Rosenberg sprach in vielen seiner Interviews von „Empathischer Verbindung“ bzw. einem „Gehört werden auf eine ganz besondere Art“. Was er stets betonte: Es geht dabei NICHT darum, intellektuell verstanden zu werden, sondern darum, die Präsenz des anderen um sich herum zu spüren.  Und zwar mit dem, was in den jeweiligen Menschen gerade lebendig ist.

„Echte“ Empathie will nichts erreichen.

Echte Empathie im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) erkennst du demzufolge daran, wenn du dich nicht bewertet oder analysiert fühlst. Empathie bedeutet also „nur“ Anwesenheit mit allen Sinnen. Rosenberg nannte das „Being-with“.

Und auch die US-Schriftstellerin Brené Brown sagt: „Wir sind darauf programmiert, mit anderen in Verbindung zu sein, das gibt unserem Leben Sinn und Zweck.“ Doch was genau ist nun eigentlich Empathie? Und was nicht? Ich versuche es hier etwas praxisnäher und vor allem greifbarer für dich zu machen. In einigen Teilen orientiere ich mich dafür an dem Skript „Empathie im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation“ von der zertifizierten GFK-Trainerin Eva Ebenhöh.

Empathie hat viele Gesichter und kann auch ganz ohne Worte erfolgen.
Foto: Stocksnap

Wozu Empathie?

Psychotherapeuten wissen schon lange, dass vor allem Empathie bei ihren Klient:innen wirkt und maßgeblich zur Verbesserung des Wohlbefindens beiträgt. Dazu Carl Rogers (US-Psychotherapeut): „Wenn dir jemand wirklich zuhört, ohne dich zu verurteilen, ohne dass er den Versuch macht, die Verantwortung für dich zu übernehmen oder dich nach seinem Muster zu formen – dann fühlt sich das verdammt gut an.“

Marshall B. Rosenberg nannte den Prozess des Empathischen Zuhörens auch „Transforming old Pain“. Er half Menschen durch seine vollumfassende, empathische Präsenz, wieder in Kontakt mit sich und ihren Gefühlen und Bedürfnissen zu kommen. Dabei konnten sie, während sie eine Art „Selbstgespräch mit Zuhörer“ führten, emotionale Belastungen oder unangenehme Erfahrungen aus ihrer Vergangenheit verarbeiten.

Ein anderer bekannter GFK-Trainer, Robert Gonzales, führt diese Arbeit fort und bezeichnet sie als „Transforming pain to the beauty of needs“. Es geht also darum, die Schmerzen zuzulassen (und als Zuhörende:r auszuhalten) – denn dann, wenn sie sein dürfen und ihren Raum bekommen, dann können sie transformiert werden in die „Schönheit der Bedürfnisse“. Was den oder die Sprechende(n) wieder handlungsfähig macht und aus der Opferhaltung herausholt.

„Ich will dich verstehen!“

Und natürlich hat Empathie auch noch eine andere Aufgabe: Wir wollen verstehen, was in unserem Gegenüber vorgeht, uns in ihre oder seine Schuhe stellen. So kann das gegenseitige Verständnis wachsen und eine tiefere Verbindung entstehen. Die Haltung ist dann im Sinne von „Wie war das für dich? Wie hast du die Situation eben erlebt?“.

Wer auf diese Weise gehört wurde, wird im Anschluss viel aufgeschlossener dafür sein, unsere Vision der Geschichte zu hören. Allerdings birgt diese Form der Empathie auch eine Gefahr: Sie ist schnell nicht mehr absichtslos und kann somit leicht manipulativ wirken (oder vielleicht sogar sein?).

An dieser Stelle fragst du dich vielleicht: Was ist denn nun genau Empathie?

Empathie – Versuch einer Definition

Empathie im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation bedeutet: Wir fühlen uns vollständig in die andere Person ein. Wir besuchen sie sozusagen „auf ihrer Insel“. Wir konzentrieren uns dabei rein auf die Gefühle und Bedürfnisse, die wir hinter Urteilen und Gedanken hören. Wir hören einfach „nur“ zu, mit all unseren Sinnen. Ohne das Gesagte zu bewerten oder die Person beeinflussen zu wollen. Eine hilfreiche Leitfrage kann sein: Wie geht es der Person gerade, was braucht sie bzw. was wünscht sie sich vielleicht oder hat sich erhofft?

Wichtig: Es geht dabei NICHT ums kognitive Verstehen oder darum, eine schnelle Lösung zu finden. Zunächst einmal ist es völlig egal, welchen Ausgang das Gespräch nimmt oder welches Ergebnis am Ende dabei herauskommt.

Einen Menschen „empathisch hören“ bedeutet,

  • dass wir das Ziel haben, mit diesem Menschen in Verbindung zu gehen,
  • dass wir eine wertschätzende Haltung einnehmen,
  • dass wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf unser Gegenüber richten,
  • dass wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit bei seinen Gefühlen und Bedürfnissen haben,
  • dass wir präsent sind im Hier und Jetzt.

Einen Menschen empathisch hören bedeutet NICHT,

  • dass wir seine Ansichten teilen,
  • ihm Recht geben,
  • glauben, dass wir seine Bedürfnisse befriedigen müssen oder unsere eigenen Anliegen zurückstellen wollen.

Ein Türöffner zur empathischen Verbindung mit dem anderen kann folgender Satz sein:

 „Fühlst du dich…, weil dir …wichtig ist?“                               

woman in desperate and anxiety sitting alone
Empathie bedeutet vor allem, einem anderen Menschen den Raum zu öffnen, in dem er ganz geschützt alles sein darf. Alle Gefühle, alle Gedanken, alle Wünsche dürfen sein. So kann sich die Person fallen lassen und kommt wieder in Verbindung mit sich selbst.
Foto: Alex Green / Pexels

Was soll ich tun? Was nicht?

„Tue nicht irgendetwas, sei einfach da“, sagt ein buddhistisches Sprichwort. Und das gibt einerseits schon ganz gut wieder, worum es beim empathischen Zuhören geht. Andererseits ist es natürlich noch kein bisschen konkret.

Eine meines Erachtens sehr gelungene Aufstellung dessen, welche Handlungen Empathie sind und welche nicht, gibt Eva Ebenhöh in dem bereits oben genannten Skript. Ich übernehme hier ihre Kategorien und ergänze sie mit eigenen Gedanken:

#1 Innerlich öffnen, weiten, durchlässig sein – Nicht wollen, können, müssen

Empathie können wir nicht erzwingen. Wenn du einen Gedanken hast wie „Oh, jetzt sollte ich empathisch reagieren“, wird es schon knifflig. Deswegen fällt es uns ja gerade bei Menschen, die uns sehr nahe sind, oftmals so schwer wirklich offen und durchlässig zu sein. Zum einen, weil wir vielleicht von dem Gedanken angetrieben sind, schnell eine Linderung zu schaffen. Zum anderen, weil wir uns vielleicht verpflichtet fühlen (z.B. aus Fürsorge).

Den Raum zu öffnen und zu halten bedarf vor allem einer guten Selbstfürsorge. Bin ich jetzt und hier in der Lage, mein Gegenüber zu begleiten – komme, was da wolle?

#2 Lieben was ist, alles willkommen heißen – Nicht urteilen oder kritisch hinterfragen

An dieser Stelle finde ich den Konzept des „Problembesitzes“ von Thomas Gordon sehr prägnant. Du kannst hier nachlesen, was es damit auf sich hat. In Kurzform: Wenn wir selbst das Problem besitzen, also durch das Verhalten der anderen Person direkt beeinflusst sind, ist es so gut wie unmöglich, empathisch zu sein (bei Gordon heißt es „Aktiv Zuhören“). Hat hingegen die andere Person das Problem, fällt uns Empathie in der Regel deutlich leichter.

Gerade im Verhältnis von Eltern und Kind vermischt sich der Problembesitz jedoch. Zum Beispiel, wenn das Kind nicht in die Schule gehen will. Dann ist das zunächst natürlich das Problem des Kindes. Doch die allerwenigsten Eltern werden ruhig und gelassen zusehen können, wie es tagelang zu Hause bleibt. Dem steht in Deutschland allein schon die Schulpflicht im Wege.

Alles willkommen zu heißen geht in einem solchen Fall meines Erachtens nur dann, wenn ich vorher bei einer anderen Person Empathie bekommen konnte oder mir selbst Empathie geschenkt habe (Dazu mehr weiter unten).

#3 Aufmerksamkeit ganz beim Gegenüber – Nichts eigenes einbringen

Vielleicht kennst du das Sprichwort „Auch Ratschläge können Schläge sein.“ Es verdeutlicht gut eine Problematik, derer wir uns oft gar nicht bewusst sind: Alles, was wir von uns selbst einbringen, also an Tipps oder Ideen mitteilen, kappt bei der anderen Person immer wieder die Verbindung zu ihren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Doch gerade diese Verbindung ist so wichtig, damit die Person auch wirklich Erkenntnisse haben kann und einen Schritt vorankommt. Deswegen reden Therapeuten auch so wenig, sondern nicken allenfalls ab und an oder werfen eine Frage ein.

#4 Entspannen, Prozess/Schmerz genießen – Keine Angst vor tiefen Gefühlen

„Empathie gibt dir die Fähigkeit, den Schmerz einer anderen Person zu genießen“  – Marshall B. Rosenberg

Was im ersten Moment merkwürdig klingen mag, beschreibt vor allem eine Haltung, in der du das Erleben der anderen Person nicht verändern oder wegmachen willst. Alles bekommt den Raum, den es braucht. Alle Tränen dürfen fließen, alles Schweigen, alle Verzweiflung, alle Ratlosigkeit. Dabei darfst du durchaus mitfühlen und in Resonanz gehen. Doch Vorsicht: Sobald du mitleidest, also den Schmerz der anderen Person zu deinem eigenen machst, bist du nicht mehr in der Lage, echte Empathie zu schenken.

#5 Fokus auf Gefühle und Bedürfnisse – Nicht den Bewertungen zustimmen

Nur allzu schnell geraten wir auf die falsche Fährte, weil wir die sprechende Person in ihren Bewertungen bestätigen oder aber diese heftig verneinen („Ja, da hat er sich wirklich unmöglich verhalten!“ oder „Ach Quatsch, das stimmt doch so gar nicht!“). Konzentriere dich darauf, eine Ebene tiefer zu hören. Wenn die Person sagt: „Er hat einfach keinen Respekt.“ – Was wünscht sie sich dann? Respekt? Gesehen werden? Wenn sie sagt, sie fühlt sich ganz klein und weiß gar nicht, wo ihr der Kopf steht – braucht sie dann Orientierung?

Übrigens: Falls du einer Person Empathie gibst für eine Situation, in der du selbst dabei warst, versuche in einer neugierigen Haltung zu bleiben („Ah, so war das für dich!“). Das heißt keineswegs, dass du einverstanden sein musst mit dem, was du da hörst.

#6 Mitsurfen – Nicht den Prozess lenken

Zur absichtslosen Haltung gehört auch, dem oder der Anderen zu folgen. Auf der Welle mitzusurfen, die diese gerade reitet. Ja, vielleicht hast du eine Idee davon im Kopf, was das eigentliche Problem sein könnte. Vielleicht stimmt diese auch. Doch – so hat es Marshall B. Rosenberg stets eindrücklich gesagt – „Don’t push!“. Wenn du beginnst, den Prozess lenken zu wollen, landet dein Gegenüber ganz schnell wieder im Kopf. Dabei soll es doch sein Herz öffnen und sich mit dem verbinden, was in ihm lebendig ist und was es sich sehnlichst wünscht.

Nur wenn wir empathisch mit uns selbst sind, können wir auch empathisch mit anderen sein.
Foto: Engin Akyhurt

Empathie fängt bei dir selbst an

Wie bereits weiter oben geschrieben: Bitte frage dich vorher, ob du ausreichend Energie hast, um für jemand anderen voll und ganz da sein zu können und ihm oder ihr Empathie zu schenken.

Solltest du ein „Nein“ verspüren, gehe auf Ursachenforschung. Woran könnte es liegen? Was braucht du vorher vielleicht noch? Mache es auf jeden Fall transparent und teile es deinem Gegenüber mit: „Du, ich sehe, dass du sehr dringend eine andere Person zum Reden brauchst. Und gleichzeitig merke ich bei mir, dass ich nicht aufnahmefähig bin. Können wir in einer halben Stunde sprechen?“

Vielleicht merkst du auch während des Prozesses, wie du immer wieder gedanklich abschweifst. Dann bitte um eine Pause! Wenn dir das unangenehm ist, kannst du auch unterbrechen mit der Begründung, dass du kurz auf Toilette gehst oder dir etwas zu trinken holst. In der Zeit kannst du dich mit dir selbst verbinden und dich fragen: Was brauche ich jetzt eigentlich gerade?

Herzliche Einladung an dich!

Selbst- was? Sind Selbstempathie und Selbstfürsorge für dich bisher leere Worthülsen oder Dinge, die „nice to have“ wären?

Ich erlebe immer wieder Mamas und Papas, die sich wirklich sehr bemühen, empathisch und friedvoll mit ihren Kindern zu sein. Doch leider vergessen sie dabei sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse. Das geht dann eine Weile gut. Bis irgendwann ein kleiner Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt oder ein Funke den Vulkan ausbrechen lässt.

Daher ist es so unglaublich wichtig, achtsam mit den eigenen Ressourcen zu sein und die Beziehung zu sich selbst an die erste Stelle zu setzen. Oder wie ich gerne sage: Selbstfürsorge ist aktiver Umweltschutz. Geht es mir gut, geht es auch meiner Familie besser.

Deswegen lade ich dich ganz herzlich zu meinem neuen E-Mail-Kurs ein:

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Er beinhaltet 14 wohltuende Impulse für DICH – auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation. Mit dabei sind abwechslungsreiche Übungen, inspirierende Texte und kleine Inseln der Selbstempathie. Die Inhalte erreichen dich täglich per Mail und sind mit ca. einer halben Stunde Zeitaufwand in jeden Alltag integrierbar. Plus: Ein Jahr lang darfst du kostenfrei an meinen monatlichen Empathie-Treffen teilnehmen.

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Titelfoto: Hannah Busing / Unsplash

Birthe

Mama von Zwillingen und einer Großen, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation und Journalistin, lernt mit Begeisterung neue Dinge. Sie schwankt zwischen Freude und Verzweiflung über ihre lebendige Familie.

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